Montag, 27. Januar 2014

Asphaltsurfing

Wir haben uns gestern abend verabschiedet, weil Pavel früh weg und ich ausschlafen wollte. Wie immer, kommt es anders... Als ich um halb neun Uhr aufstehe, ist bei Pavel noch alles still. Auf dem Campingplatz sind sogar die Toiletten noch verschlossen! Gemütlich beginne ich, meine Sachen zu packen und genieße ein Frühstück - der letzte Honig geht dabei drauf. Pavel hat verschlafen! Aber macht nix. Wir sind fast zusammen fertig mit packen und Pavel will sich wieder verabschieden, weil er meint, sein Tempo sei mir zu langsam - ist es aber nicht. So fahren wir halt noch einen Tag zusammen.

Auf dem Campingplatz hört man zwar Wind, aber zwischen den Bäumen spürt man ihn kaum. Draußen auf der Straße bemerken wir ihn vorerst auch wenig, denn erstens ist er nicht so schrecklich stark und zweitens kommt er meist von schräg hinten. Im Verlauf des Tages nimmt er allerdings kräftig zu - was wäre Patagonien ohne Wind?! Meist bläst er konstant von Westen oder Südwesten, wenn die Straße eine Biegung macht und wir Seitenwind bekommen, können wir unsere Schräglage immerhin ganz gut darauf einstellen. Am späten Nachmittag allerdings wird es etwas hügeliger und da dreht der Wind ständig und wird böig. Das ist ganz schön ansgtrengend. Wie gesagt, meist können wir ganz gut mit Rückenwind segeln. Entgegenkommende Lastwagen allerdings müssen wir angehen, wie eintgegenkommende Wellen beim surfen - durchtauchen! Wenn ich den Kopf senke und den Windschild nach unten nehme, dann tun uns die Luftwirbel nicht viel. Auch die Lisl spielt mit, sie geht die LKWs etwas schräg an und behält ihre Spur ganz gut dabei. Pavel macht es ähnlich - es sieht lustig aus, wenn der "taucht".

Um uns herum ist es mindestens so spannend wie gestern! Gelbes Gras, schwarze Büsche, grauer Sand, Kieselsteine, Zaun, jede Menge totes Getier und Geflügel... So legen wir heute immerhin 450 km zurück! Außer zwei Tankstellenstops bei denen wir aus lauter Langeweile Sandwiches oder Eis essen, gibt es doch 2, nein 3 Hihghlights zu erzählen. Das erste war sicher auch das schönste - ein Gürteltier irrt auf der Straße umher. Ich halte an, um es endlich mal genauer anschauen zu können, auch Pavel dreht um. Es scheint noch jung zu sein, ich glaube zumindest, daß diese Tiere ausgewachsen ein ganzes Stück größer sind. Es sieht ein wenig aus und benimmt sich wie ein Igel, rennt von hier nach da, schnüffelt und schnuppert herum und läßt sich nur schwer fotografieren. Meist zeigt es mir nur sein Hinterteil. Ein bischen dumm ist es auch, weil es immer wieder auf die Straße rennt, umdreht und wieder zurückkommt. Irgendwann verzieht es sich in den Graben.
Das zweite Erlebnis ist eines der vielen Guanacos. Vor einem entgegenkommenden LKW flüchtet es in Richtung Steppe, dreht aber dann um und als es Pavel sieht, nimmt es Fahrt auf und rennt direkt vor ihm über die Straße. Dummes Viech. Wie kritisch es genau ist, kann ich nicht sehen, weil ich genau in diesem Moment durch den LKW tauchen muß.
Die dritte Abwechslung erfahre ich, als wir einen kurzen Stop am Straßenrand beenden. Ich warte noch kurz um einen Bus vorbeizulassen. Der erzeugt aber dermaßen starke Wirbel, daß ich fast die Lisl umschmeiße - meine Beine sind so kurz und ich kann nicht fest genug auf dem Boden stehen. Der Wind ist auch ohne Störungen schon schlimm genug!

Etwas sonderbar finde ich, daß es täglich wärmer wird, je weiter wir nach Norden kommen. Ja, ist klar, wir sind auf der Südhalbkugel, aber trotzdem irgendwie fremd. Jeden Tag entfällt eine Schicht Kleidung - heute der dicke Pullover und die lange Unterhose.
Mittlerweile habe ich auch herausbekommen, was die gelben Sterne auf der Straße bedeuten. Ab und zu sieht man einen, oder mehrere davon, die auf die Straße aufgemalt sind. Das sind Verkehrstote! Tragisch. An einer Stelle habe ich mal 5 Sterne gesehen. Dabei ist die Straße eigentlich ziemlich kerzengerade! Aber es herrscht doch recht reger Verkehr.

Die Gedanken haben weiter nichts zu tun. Also fällt ihnen ein, was ich zu Hause alles für Projekte starten könnte. Ich glaube, ich bin gerade mal wieder dabei, mir viel zu viel vorzunehmen. Drechseln, radeln, Möbel zimmern. Und vor allem natürlich die Lisl pflegen. Was mir da alles einfällt! Dinge, die getan werden müssen, wie Licht, Schwingenlager, IMO-Fernbedienung und Lenkkopflager reparieren. Andere, die nicht zwingend nötig sind, die ich aber gerne tun würde wie z.B. die komplette Verkabelung selbst neu herstellen. Und Sachen, die "nice to have" wären, wie: alle gelben Teile pulverbeschichten oder die Sitzbank mit Echtleder selber aufpolstern (und dafür vorher einen Tag bei Franz in die Sattlerlehre gehen). Lauter dummes Zeug fällt mir ein!

Pavel und ich sind uns einig, daß wir einfach weiterfahren - wir können ja nichts anderes tun. Es gibt keine Stadt, keine schönen Plätze, nur Wind und Steppe. Können wir fahren, bis der Wind abflaut? Oder bis ein schönes Plätzchen kommt? Oder bis wir todmüde von den Mopeds fallen? Gegen sieben Uhr abends ist es dann soweit, in der Ferne ist das Meer zu sehen und es biegt auch eine Schotterstraße ab. Natürlich haben wir beide den gleichen Gedanken! Das Ergebnis ist zwar nicht das allerbeste, aber wir nehmen es. Zwischen Strand und Böschung führt die Schotterstraße noch ca. 100 m entlang. Sie ist zugeparkt mit Autos, Zelten und Grills. Wir reihen uns ein und warten, bis die Sonntagsausflügler verschwinden. Am schlimmsten ist aber der Wind, der die Küste entlangpfeift und furchtbar viel Staub und feinen Sand mitbringt. Es knirscht schon zwischen den Zähnen, bevor wir richtig abgestiegen sind. Zelt aufstellen geht jetzt noch nicht, windstärke "kein Zelt"! Nach einer Stunde ist es mir allerdings zu dumm und ich mach das trotzdem, schließlich will ich mich vor Luft und Staub darin verstecken! Zwischen Pavels Moped, einem Mülleimer und 2 großen Traktorreifen quetsche ich mein Zelt rein - paßt grade so. Drin ist es angenehm!

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=lcfudmenldemkcua

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