Samstag, 30. November 2013

Susi macht wieder Quatsch

Lisl - aufwachen! Wir wollen weiter! Sie wischt sich eine Ölträne vom Öldruckschalter und blinzelt mich an. Was? Der Schalter wurde doch in Panama für teures Geld ausgetauscht?! Danach war die Lisl trocken. Bis jetzt! Na, das war aber eine nachhaltige Reparatur!
Die Suche nach einem 36-er Ringschlüssel für das Lenkkopflager setze ich heute fort. Wo immer ich eine vielversprechende Werkstatt am Straßenrand sehe, kehre ich ein. Das Spiel ist immer das selbe und tötet mir irgendwann den Nerv. Obwohl ich sage "ich suche einen 36-er Ringschlüssel" will der Mechaniker zuerst mal wissen wofür. Besichtigung des Lenkkopflagers. Dann kramt er eine Nuß heraus. Obwohl ich abwinke, wird sie probiert. Sie paßt nicht, der Lenker ist im Weg. Dann kommt der Franzose dran - der öffnet immer nur bis 32. Tja, dann haben sie keinen Schlüssel. Ich kann aber jetzt nicht einfach dankend weiterfahren, nein, jetzt muß ich mir 10 min lang erklären lassen, wer wo bestimmt einen passenden Schlüssel hat! Danke. Adios. Wir machen uns wieder auf die Jagd. Die Jagd nach dem Kopf der Dieselschlange. Oder die Flucht vor der hinter mir Fauchenden.
Ich weiß nicht genau wo, aber irgendwann zweigt eine Nebenstraße ab. Sie führt über Bolivar und La Cruz nach Pasto - sagt Google. Mein Navi sagt nix. Auch die Karte kennt sich hier nicht aus. Aber Susi ist mal wieder übermütig und freut sich auf Nebenstraßen. Und es gibt die Straße! Bis Bolivar werden 56 km angekündigt und nach Santiago (das ich aber auf der Karte nicht finden kann) sind es 115 km. Wow! Das ist (fast) perfekt!!! Perfekt ist der nagelneue herrliche Asphaltbelag, perfekt sind die 35-er-Kurven (km/h), perfekt ist die Aneinanderreihung von rechts-links-rechts, perfekt ist der Sonnenschein und die klare Luft. Sogar riechen kann ich wieder - nach Erde und Planzen. Perfekt sind die verschlafenen Dörflein, perfekt ist die Abwesenheit von fahrenden Hindernissen! "Was wird die Strafe dafür sein?" frage ich mich schon. Was soll's, jetzt wird genossen und entspannt! Das denkt auch die Lisl - sie entspannt sich total. D.h. eigentlich den Kupplungszug. Zingggg! Der Zug ist nicht ganz ab, aber er hat sich soweit gelängt, daß die Kupplung nicht mehr ordentlich trennt. Bitte lieber Kupplungszug, halte bis heut abend aus! Diese herrliche Kurvenstrecke ist leider nicht gerade kupplungsschonend. "Fast" sind auch meine Sorgen um das Lenkkopflager und das nichtvorhandene Reifenprofil.
Trotzdem genieße ich. Phantastische Ausblicke - wunderschöne Berglandschaft! Ein paar Wölkchen am strahlendblauen Himmel. Knappe 30 Grad. Fast fange ich schon an zu singen. Da kommt mal wieder eine Baustelle - aber die sind bei dem wenigen Verkehr schnell durchfahren. "Vor der Brücke nach oben!!!" ruft mir der Tafelwärter im Vorbeifahren noch zu - ja, das steht ja auch "Umleitung". Ganz schön schwierig, diese Umleitung. Aber sie ist ja gleich vorbei. Ups, der geschotterte Bergweg führt immer mehr von der eigentlichen Straße weg, wird immer ausgewaschener, steiler und schwieriger! In welchen Hinterhalt haben die mich hier gelotst? Oh, da ist ein LKW vor mir, dann wird das wohl schon seine Richtigkeit haben. Tatsächlich erscheint nach etwa 5 km das Ende der Baustelle. Nicht, daß wir jetzt auf der "richtigen" Straße wären, ab hier darf man wieder 2-spurig fahren. Schwieriger Bergweg. Ortschaft in Sicht! Das muß Bolivar sein. Eine Krezung. Wohin? Die beste Straße fäührt nach links, aber vorsichtshalber frage ich mal. Nein, garantiert nicht links, da hört die Straße auf. Wo ich hinwill? Pasto? Der Mann schüttelr voller Unverständnis den Kopf. Da geht es hier nicht hin. Ich schlage noch 2 Orte vor, die ich auf der Karte finde, und von wo aus Straßen nach Pasto eingezeichnet sind. Ja, San Pablo und San Lorenzo. Da muß ich rechts in die Ortschaft hinunter und dann...den Rest verstehe ich nicht. Aber die Straße ist schlecht - so wie hier. Es sind knapp 50 km. Und ob dort tatsächlich eine vernüftige Straße weiterführt bleibt offen. So ganz einig  über den Straßenzustand sind wir uns nicht. Ob es gefährlich wäre, frage ich. Da schaut sich der Mann um, kommt ganz nah zu mir und flüstert "Gerilla". Er würde dort nicht freiwillig hinfahren. Das sind mir jetzt genug Argumente - ich drehe um! Der Mann ist sichtlich erleichtert, wir verabschieden uns mit einem herzlichen Händedruck und Gottes Segen.
Mir graut ein wenig vor dem schwierigen Rückweg. An der Baustelle warten 3 Mopeds, die lasse ich gerne vor. Die beiden Jungs sind mit ihren Fahzeugen schnell außer Sicht. Dann sind da noch 2 Mädels auf einem Roller, die fahren sehr umsichtig. Ich klemme mich einfach dahinter. Ich glaube, die kennen den Weg genau, sie fahren ihn sicher täglich. Bevor ich mir noch richtig Sorgen machen kann, haben wir es hinter uns - danke Mädels, ihr wart gute Führer! Das Abenteuer wird als "schöner Ausflug in Kolumbiens Bergwelt" verbucht.
Nach 3 Stunden hat uns die Dieselschlange wieder und die Jagd geht weiter. Auf weite Strecken ist die Straße zwar asphaltiert, aber holpriger als eine Waschbrettpiste. Arme Lisl. Bis Pasto werde ich das heute nicht mehr schaffen, es ist schon halb vier. Dummerweise kennen sowohl Karte als auch Navi vorher keine Ortschaft, in der man ein Hotel vermuten könnte. Eine groß angekündigte Raststelle (Tankstelle, Restaurant, Hotel) steht leer und ist abgezäunt. Ich möchte aber unbedingt vor Dunkelheit einen Schlafplatz haben! Gegen fünf Uhr ist wieder ein Hotel angekündigt - ist auch leicht zu finden. Für den Spottpreis von 18.000 Pesos bekomme ich ein großes leeres Zimmer. Doch, ein Bett steht drin. Der größte Luxus ist ein Lüfter. Kaltes Wasser (die Dusche ohne Brausekopf) und natürlich KEIN Internet. Husch, husch umziehen - ich muß noch den Kupplungszug wechseln, solange es hell ist! Hat geklappt und grade gereicht! In der Dämmerung packe ich das Werkzeug ein. Aber jetzt könnte ich ja nochmal einen Versuch "36er-Schlüssel" starten? Diesmal nehme ich einen kleinen Ringschlüssel als Beispiel mit. Man versteht, was ich will, aber erfolgreicher bin ich deshalb auch nicht.
Da mein Hotel kein Internet hat, geh ich mal schauen, ob es in diesem Ort sonst irgendwo ein Netz gibt. Etwas zu Trinken und am Straßenstand ein Würstchen mit Kartoffeln nehme ich unterwegs mit. Ich finde kein Internet, aber auf dem Rückweg einen Dorfplatz, an dem anscheinend etwas geboten wird. Ich setze mich auf die Tribüne und warte. Gegenüber ist ein Podest mit Baldachin und einer Luftballongirlande aufgebaut. Dort wohnt die Technik und die Organisation. Fast eine Stunde lang gibt es Mikroprobe, Ansage, dann wieder Mikroporobe, Musik aus den Lautsprechern, Pfeifen, ohrenbetäubende Musik...ich halte alles aus. Der Ansager ist bis zum Hals zu sehen, der Kopf versteckt sich hinter den Ballons. Dann wieder eine (kopflose) Ansage - irgendeine Schule hat 25-jähriges Bestehen und aus diesem Anlaß gibt es etwas ganz Besonderes erklärt (vermutlich) der Dirketor. Musik. Im Hintergrund üben ein paar Tänzer. 20 min später eine Ansage: Schulgeburtstag und ein ganz besonderes Programm. Musik. Die Ansage...usw. Aber jetzt! Jetzt geht es wirklich los! Ja, mit den übölichen Reden. Und dann mit der Nationalhymne. Und dann kommt die Schulhymne. Und dann müssen alle "happy birthday" singen. Und dann...eine Ankündigung: ein Junge, 9 oder 10 Jahre alt, fein kostümiert und mit breitem Sombrero tritt auf den Platz. Er soll die weitere Moderation übernehmen. Sein Mikro ist stumm. Er wird nocheinmal vom Schuldirektor angesagt - das Mikro bleibt stumm. Der kopflose Direktor übernimmt die weiteren Ansagen. Irgendwann geht der Junge einfach vom Platz. Es werden ein paar Revue-Nummern von den Schulkindern gezeigt. Anschließend tritt ein Pärchen mit einer akrobatischen  Tanzeinlage auf. Danach wird endlich ein heißer Salsa gezeigt. Die machen das toll! Ich freue mich, daß ich so lange ausgehalten habe, obwohl mir der Hintern schon ordentlich weh tut. Mitten im Schritt - Stromausfall!!! Die Musik schweigt. Auch der Ansager. Jetzt mag ich nicht mehr - wer weiß, wie lange so ein Stromausfall dauert....

Freitag, 29. November 2013

Popayan

Im Gegensatz zu meinem Arbeitgeber habe ich eine Dieselstrategie. Oder besser gesagt, eine Dieselruß-Vermeidungs-Strategie. Der Plan ist, früh aufzustehen und vor dem Berufsverkehr aus der Stadt heraus zu sein.
Der Wecker steht auf 6 Uhr. Auf meine innere Uhr kann ich mich nicht verlassen, ich habe derzeit keinen ordentlichen Rythmus und mein Zimmer hat keinerlei Tageslicht. Der Generator hat gestern bis 11 Uhr Strom geliefert und heute morgen um 6 Uhr brummt er auch. Ich kann die Lisl aus ihrem Laden-Zimmer holen und packen. Als ich den zweiten Teil meiner Sachen zusammensuchen möchte, ist der Generator abgeschaltet - es ist ja schon lange hell! Aber doch nicht in meinem Zimmer! Weiß der das nicht? In der Dunkelheit muß ich meine Taschenlampe und dann meine restlichen sieben Sachen zusammensuchen.
Die Taktik funktioniert ziemlich gut. Es ist kaum Verkehr, aber die wenigen Taxis schaffen es trotzdem, Straßen zu verstopfen. Man hält am Besten dort an, wo rechts und links bereits zugeparkt ist. Und dann verhandelt man mit möglichen Fahrgästen - minutenlang! Am Ortsausgang liegen die Containerplätze - da muß ich mich mit ein paar LKWs herumschlagen, aber als ich dann draßen bin, habe ich ziemlich freie Fahrt. Nur vereinzelte Hindernisse, die die Lisl auch ganz schnell hinter sich läßt. Schwarz werde ich trotzdem, denn die entgegenkommenden Schwerlast-Schlangen rußen und stauben auch. Es hängen fest fixierte Dreckwolken über der Straße, Du entkommst ihnen nicht!

Buenaventura. War mit Sicherheit der dunkelste Punkt meiner Reise! Angefangen bei der dunkelgrauen "Luft" und den Wolken auf der Hinfahrt. Dann die total schwarze Hautfarbe der Menschen - meine einbezogen (habe mich möglichst gut angepaßt und getarnt). Dann eine Stadt, deren Häuser vor schwarzem Dreck strotzen. Ein Zimmer ohne Fenster oder Tageslicht - ein schwarzes Loch. Und natürlich der totale Stromausfall, der die ganze Stadt in Dunkelheit taucht. Zu guter Letzt: falls ein Stückchen Strand sichtbar ist, besteht es aus schwarzem Sand!

Ich möchte unbedingt noch ein Foto machen von den Motorraddraisinen! Es ist früher Morgen, aber der Bahnhof ist genauso voller Menschen wie gestern. Ich werde allerdings in Ruhe gelassen - vielleicht strahle ich auch eine gewisse Unnahbarkeit aus? Leider steht keines der Motorräder auf den Schienen - die "Technik" kann ich aber auch so sehr gut betrachten. Ist schon lustig. die haben praktisch eine Holzplattform auf Mini-Stahlrädchen genagelt, obendrauf Holzbänke montiert und das Vorderrad des Motorrads verschraubt. Hinterrad läuft neben der Schiene auf dem Schotter - ist sicher auch nicht schlechter als manche Straße.
Das Perverse bei der Sache ist, daß sie wegen der Luftverschmutzung keine anderen Fahrzeuge in den Park lassen wollen. Aber 200 m daneben verläuft die Hauptstraße, und da hängen die Abgaswolken immer drüber.

Zum Glück muß ich nicht ganz zurück nach Buga, es biegt schon bald eine Straße nach Süden ab. Sie ist kaum befahren und in gutem Zustand. Das ist schön. Zwischen den Bergketten rollen wir dahin. Jetzt, wo ich weiß, wie Kaffee "in echt" aussieht, entdecke ich auch die ganzen Kaffee-Plantagen.

Mein Ziel ist heute Popayan. Ich habe gelesen, das soll eine hübsche alte Kolonialstadt sein. Entfernung gut 250 km, das entspricht meinem Tagesdurchschnitt, ist aber mehr als die ursprünglich geplante Entfernung. Es ist erst kurz nach Mittag als ich dort ankomme. Trotzdem beschließe ich, heute hier zu bleiben - bis zur nächsten Stadt sind es nochmal ca. 300 km, eine ganze Tagesetappe. Außerdem möchte ich mal in Ruhe im Internet surfen und über die vor mir liegende Route nachdenken. Und ich bin müde. Fest geplant ist da ja noch nichts. Ich finde auf Anhieb ein passables Hotel, mache mich dann nochmal auf den Weg in die Altstadt und auf die Suche nach einer Werkstatt. Die Werkstattsuche hat leider nicht das gewünschte Ergebnis gebracht - einen passenden Schlüssel zur Korrektur des Lenkkopflagers gibt es nicht. Beim Altstadtbesuch war ich erfolgreicher. Mit reduziertem Gepäck und der richtigen Einstellung kann man sogar diesen Verkehr aushalten. Wir stürzen uns in's Gewühl der Taxis, Busse, Mopeds, pfeifenden Polizisten, Straßenbauarbeiter und versuchen, möglichst wenig Huppel und Löcher zu erwischen. Ab und zu halte ich zum Fotografieren an - jetzt bin halt ich mal die Blockade... Es gibt einige alte Kirchen, die sehen auch ganz ordentlich aus von außen (innen reinschauen tu ich nicht, da Parkschwierigkeiten und Kirche oft geschlossen). Die Gassen sind gesäumt von niedrigen, weiß getünchten alten Häusern. Moderne und Historie bilden oft einen seltsamen Anblick: neonfarbene Turnschuhe in altem Gemäuer? Oder Kabelwirrwar vor antiken Fassaden?

Hätte ich nur den Wetterbericht nicht gelesen - der kündigt für morgen Regen und Gewitter an. Schöne Vorfreude! Und dann werde ich gebeten, die Lisl hereinzustellen - sie brauchen den Platz vor dem Haus. Ist ja ganz gut, aber die erste Tür ist 70 cm breit, die zweite nur 60 - und meine Lisl mißt ohne Gepäck bereits 80 cm. Erst als ich fast in der Tür feststecke glaubt mir der junge Mann. Die Alternative ist ein Tor zm Schlafsaal. Na Lisl, dann schlaf mal gut!
 

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=qxlkpzewdcxfnrif

Donnerstag, 28. November 2013

Kaffee

Noch vor wenigen Tagen habe ich behauptet, ich wäre froh, wenn ich Kolumbien hinter mir hätte. Von diesem Land habe ich außer Regen nur Gefahren und falsche Polizisten erwartet. Jetzt entdecke ich, daß es hier schrecklich viel zu sehen gibt. Das Land ist wunderschön und die Leute sind sehr freundlich, nett und hilfsbereit. Auch nicht aufdringlich. Kolumbien ist kein Abenteuerland mit schrecklich schlechten Pisten, Hinterhalten und Notstand. Die touristischen Attraktionen sind erschlossen und gut erreichbar. Ich glaube, hier könnte ich noch Einiges entdecken.

Endlich gibt es mal wieder ein Frühstück. Das ist selten in den Hotels. Und irgendwo etwas essen mag ich nicht am Morgen, so habe ich mir angewöhnt, morgens einfach ohne etwas auf die Reise zu gehen. Frisch gestärkt freue ich mich also heute auf den "Kaffee-Nationalpark". Bin gespannt, was ich dort lerne. Durch Bananenplantagen geht es zum Kaffeepark! Mir wurde gestern gesagt, der Park öffnet um 8 Uhr, also will ich die Morgenfrische ausnutzen. Ich bin um 9 Uhr dort. Dutzende Kinder in Schuluniform stehen vor dem Eingang Schlange - aha, Schulausflug!? Schön, daß die Kinder etwas über Ihr Land lernen wollen. Ich muß von der Straße runter, links ist ein großes Tor zum Parkplatz. Davor steht Sicherheitspersonal. Sie wollen mich nicht reinlassen, der Park öffnet erst um 10 Uhr! Wieso das denn jetzt? Jetzt bin ich schon angenervt. Eine Eintrittskarte habe ich schon im Hotel kaufen können, der Parkplatz soll extra kosten. Ich suche eine Kasse, um die Gebühr zu bezahlen, aber das Personal will mich nicht vom Motorrad weglassen. Es ist schwül geworden, ich stelle die Lisl erstmal auf den Ständer, ziehe mich aus und verstaue den Regenkombi - sprich, ich mache es mir vor dem verschlossenen Tor für die nächste Stunde gemütlich. Aber das ist auch nicht recht, Angestellte wollen hereinfahen. Plötzlich erlaubt man mir, neben der Kasse hinter einer Hecke zu parken. Nun kann ich auch alles herrichten und die Straßenstände besichtigen. Straßenhändler wollen mir Hüte verkaufen, ein älterer Herr mit Familie spricht mich in perfektem Englisch an und gibt mir ein paar Tips. Endlich ist Einlaß - die nächste Enttäuschung: das ist ja ein Vergnügnungspark a la Disneyland! Darum die vielen freudigen Kinder! Eigentlich will ich gleich wieder umdrehen, aber wo ich halt jetzt schon mal drin bin... Es gibt tatsächlich einen Abschnitt des Parks, der die Kaffeeplanzen, deren Aufzucht und Ernte zeigt. Ich habe mir vorher nicht angesehen, wie Kaffeplanzen aussehen, aber ich hatte eine ganz andere Vorstellung davon! Auch die Verarbeitung der Kaffeebohnen kann man an verschiedenen Stationen kennenlernen. Dann kommt die Station "Kaffeeshow" - neugierig gehe ich hinein und sehe Baletttänzer üben. Schon ist ein freundlicher Sicherheitsbeamter da, der mir erklärt, daß die Show erst um 13:30 Uhr stattfindet und ich hier nicht bleiben darf. Es ist heiß geworden und der Lehrpfad geht durch ein Tal, das man am Ende mit vielen Stufen wieder verlassen muss. Die Sesselbahn ist noch nicht in Betrieb. Kurz vor dem Ausgang gibt es noch ein kleines Museum, in dem weitere Dinge zu lernen sind, das nehme ich noch mit. Dann will ich weiter. Es ist schon fast Mittag und ich bin heute noch nicht weit gekommen. Die Holländer wollen heute bis Buga fahren, vielleicht können wir uns da ja treffen?

Die wunderschöne Nebenstraße von gestern setzt sich heute hier fort; die nächtlichen Gewitter haben die Luft gereinigt. Es erinnert mich an zu Hause, wenn ich manchmal ein kleines Sträßchen durch den Wald finde und denke "das ist ja wie im Urwald!". Hier ist es im Urwald! Hmmmmmmmmmmm!
Auch eine Nebenstraße mündet mal in einer Hauptstraße. Diese soll mich nach Bugla und später Richtung Buenavista führen. Sie ist breit, später sogar oft 3- bis 4-spurig ausgebaut und der Schwerlastverkehr hält sich vorerst noch in Grenzen. Und dann passiert ein schlimmes Unglück! Ich sehe weit vor mir einen Mann über die Straße rennen, er fällt der Länge nach hin und anscheinend verteilt sich was er getragen hat über der Straße. Ich bremse und rolle langsam hin, der Mann rührt sich nicht. Was ich für seine Habseligkeiten gehalten habe, war ein Motorrad mit Beifahrerin, die mich vor höchstens zwei Minuten überholt haben. Sie waren kaum schneller als ich, 70-80 km/h. Die Motorradfahrer sitzen am Straßenrand aber der Mann liegt regungslos auf der Straße. Eine Menge Menschen sind schon zu Stelle und so fahre ich in großem Bogen um die Unglücksstelle herum. Ich verstehe sowieso nichts und möchte, ehrlich gesagt, nicht in Kolumbien in irgendeine Sache verwickelt werden.
Die schrecklichen Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf - viele Fragen "warum?" qälen mich. Mein eigener Unfall taucht wieder auf. Geschockt und wie in Trance fahre ich weiter, allerdings ein ganzes Stück langsamer. Ich merke kaum, wenn mich jemand überholt, alles funktioniert nur irgendwie automatisch. Nichts um mich herum kann ich aufnehmen.

Als ich in Buga ankomme, ist es noch zu früh um aufzuhören. Kaum eine Abwägung, einfach nur ein Moment des Zögerns, dann folge ich dem Navi Richtung Buenaventura. So langsam komme ich wieder zu mir und plane den restlichen Tag. San Cipriano habe ich mir vorgenommen - dort soll es Motorraddraisinen geben, die einen zu schönen Wassertümpeln im Dschungel fahren. Der Ort dürfte auf halbem Weg nach Buenaventura (am Pazifik) liegen. Mein altbekannter Fehler schleicht sich wieder ein - ich nehme mir zuviel vor. Ich denke, ich könnte kurz dorthin fahren und dann vor 17 Uhr wieder zurück in Buga sein. Weit gefehlt!!! Ab jetzt wird der Tag einfach nur immer schlimmer...
Schlechte schmale Straße, LKW-Schlangen mit 14 km/h in beide Richtungen, Baustellen über Baustellen, sandige und staubige Abschnitte, Nieselregen, schlammige Gischt. Schlaglöcher ignorieren wir schon lange, die Lisl schluckt sie einfach. Aber jetzt taucht unter dem LKW direkt vor uns ein mehr als 2-faust-großer Stein auf. Zu spät zum ausweichen; Lisl's Vorderrad hüpft ordentlich zur Seite, aber sie fängt sich zum Glück wieder. Die Brille ist blind - kurze Pause, Toilettengang und Brille etwas säubern. Der Restaurantbesitzer dort kennt San Cipriano - ja, ist noch 30 km; sehr schön dort. Nur noch 5 km auf der Hauptstraße, dann biegt eine Nebenstraße ab.
Aus den 5 km werden weiß-nicht-wieviel inklusive weiterer 3 Baustellen. Irgendwann entdecke ich zwischen den LKWs ein Hinweisschild - die Abzweigung sieht aus, als ob sie nur zu ein paar Häusern führen würde. Es sind schäbige schmutzige Hütten. Die meisten Menschen hier sind dunkelhäutig - bisher haben fast alle Kolumbinaner weiße oder helle Haut gehabt. Neben mir taucht ein Moped mit 2 schwarzen Jungs auf - sie belabern mich ohne Ende und lotsen mich die Nebenstraße hinunter. Hier stehen tatsächlich die Draisinen. Mittlerweile stehen 5 Kerle um mich rum, einer schreit lauter als der andere, sie rufen noch weitere Menschen hinzu. Ich halte mir die Ohren zu! Es dauert lange, bis ich verstehe, was Sache ist. San Cipriano ist ein Naturreservat, zu dem man nur mit diesen Draisinen kommt. Es sind ca. 20 min Fahrt und sie lassen es sich ordentlich bezahlen. Meine Lisl kann nicht mitkommen, sie muß hierbleiben. Alle möglichen teuren "Garagen" werden mir angeboten, vom Ziegenstall bis zum Wohnzimmer. Ich müßte mein Gepäck mitnehmen. Ob es dort oben dann wirklich Hotels gibt und ob die mich haben wollen und ob sie mir gefallen, steht alles in den Sternen. Mir ist sehr unwohl! Die Menschen hier finde ich sehr aufdringlich. Liegt die Mentalität an der Hautfarbe? Oder bin ich heute einfach nur schlecht drauf? Nein, sagt mein Bauch, das mach ich nicht. Ich bedanke mich und fahre zurück auf die Hauptstraße. Es ist jetzt schon nach 16 Uhr; keine Zeit zum Zurückfahren nach Buga. Bleibt nur noch Buenaventura. Das ist eine große Hafenstadt am Pazifik - da muß es ja haufenweise nette Hotels geben.
Und schon begrüßt mich ein verblaßtes Schild in Buenaventura. Bis zum Meer sind es aber noch 20 km! Ach Du liebe Zeit - schon wieder hektische Stadt! Nach dem ersten Nadelöhr läuft es zum Glück ganz passabel. Bis ich im Zentrum auf einer Halbinsel ankomme. Es ist der Horror! Schreckliche Häuserfassaden, schwarz auf dem ehemals weißen Putz, überall Leitungen kreuz und quer, eingefallene Gebäude, an jeder Straßenecke riesige Löcher oder Baustellen. Ich gerate anscheinend auf eine reine Omnibusstraße, ich werde angeschimpft. Bis zu Uferpromenade möchte ich mich durchkämpfen - aber die gibt es nicht. Der Blick auf das Meer ist verbaut durch Kasernen, Frachtplätze oder andere heruntergekommene Gebäude. Heiß. Dreckig. Wahnsinnig laut. Eng. Ich bin total genervt. Da prangt ein großes Hotelschild an einem ordentlichen Gebäude. Die Tür ist verschlossen. Ein Autofahrer will helfen, er kennt ein günstiges Hotel in der Nähe. Sie haben nicht mal einen Lüfter im Zimmer, kein Internet und vor allem keinen Platz für die Lisl. Dierkt nebenan dröhnt etwas so schrecklich laut, daß man kaum sein eigenes Wort versteht. Jetzt platzt mir der Kragen! Das wird nichts. In der Nähe sehe ich noch 2 oder 3 Hotelschilder - der Mann verabschiedet sich und ich gehe auf Fragetour. Ich habe etwas Angst, weil ich oft in den ersten oder zweiten Stock zur Rezeption muß und meine Wertsachen alle auf der Lisl bleiben. Machen wir es kurz: alles ist gleich schlecht. In der ganzen Stadt herrscht Stromausfall - Zimmer werden mit der Taschenlampe besucht. Ich entscheide mich für das Hotel über dem schrecklich lauten Stromaggregat (das dazu gedient hat, per elektrischer Beschallung die Menschen in der Kirche im Erdgeschoß in Esktase zu versetzen). Das Aggregat wird gerade abgeschaltet - eine himmlische Ruhe kehrt ein! Angeblich haben sie hier von 18 bis 23 Uhr Strom! Die Lisl? Es wird lange gezeigt und geschrien. Schließlich geht eine Helferin voraus in die nächste Querstraße und schließt ein klappriges Rolltor auf. Die Lisl darf in einen gefließten Raum. Ich werde morgen erfahren, was mich das kostet. Es ist mir momentan egal.

Der Schweiß rinnt an mir herunter und hinterläßt auf meinem verrußten Gesicht helle Spuren. Die Senora an der Rezeption lacht sogar - ich muß schrecklich aussehen. Aber seht selbst....
Mein Zimmer ist eine fensterlose Zelle. Die Waschbeckenkontrolle hat "Wasser ja" ergeben, aber der Nachhaltigkeitstest in der Dusche ist enttäuschend. Jeder Tropfen, der die Duschleitung ohne Brausekopf verläßt, wird von mir gierig aufgefangen! Selbst nach 3-maligem einseifen hinterläßt mein Gesicht auf dem Handtuch noch graue Spuren. Die Duschabkühlung hilft nur kurz, im Zimmer ist es schwül. Ich entdecke eine Klimaanlage, aber ich kann sie nicht zum Leben erwecken. Das Notstromaggregat liefert nicht genug Power. Ich will weg hier!



PS: Ich habe am 14.11. noch einen Eintrag vergessen, wer möchte kann dort nochmal nachschauen...

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=jcyxuvasumwmrztz

Mittwoch, 27. November 2013

Regen im Regenwald

Gleich am Morgen muß ich tanken, bin schon auf Reserve. Direkt angrenzend sichte ich eine Werkstatt. Es dauert eine Zeitlang, bis passendes Werkzeug für Lisls Lenkkopflager gefunden ist. Ich weiß, daß man das Lager mit viel Gefühl einstellen muß! Mein Schraubenschlüssel für die Kontermutter ist etwa 1/2 Meter lang, die Nutmutter für das Spiel muß ich mit Hammer und einem zu dicken Meißel einstellen. Wie soll da Gefühl aufkommen??? Eine Kontrolle gibt es im Stand bei eingebautem Lenker und unebenem Untergrund auch nicht wirklich. Das ist einfach nur raten... Schon wenig später am nächsten 3200 m Paß zeigt sich, daß das "Gefühl" etwas zu stramm geworden ist - die Lisl ruckelt jetzt um die Ecken. Die Reifen sind auch nicht mehr die Besten, besonders der vordere.

Der Paß ist herrlich! Er wäre noch viel herrlicher, wenn ich die Fahrt genießen könnte und mich nicht mit "carga larga"-Schwertransportern rumschlagen müßte. Die schönsten Bilder kann ich nur für Sekundenbruchteile in mir aufnehmen - fotografieren ist unmöglich, wenn Du grade mitten in einem Überholvorgang von 30 LKWs bist, die mit 25 km/h die Luft verpesten. Und dann stehen sie ganz still! Wann immer möglich, kämpfe ich mich am Stau vorbei bis ich vorn an der Baustelle ankomme .Das kann dauern. Die Tafel-Wärterin funkt gerade. Und dann ergießt sich ein Wortschwall über mich. Ich verstehe nur aus einer kleinen Handbewegung, daß ich fahren soll und ein Wort: "rapido". Also Lisl - gib Gummi!!! Yeah! Wir sind durch. Die LKW-Schlange muß warten. Vor mir herrscht freie Fahrt! Ich glaube, die Dame hat mein Gebet erhört. Ist das herrlich, ohne Verfolger im Nacken und ohne Hindernisse vor uns den Paß hinaufzujuckeln! Kurz vor dem höchsten Punkt ist Polizeikontrolle. Eine freundliche Frage woher/wohin...ich lege gleich los in radebrecherischem spanisch, daß ich nach Solento wolle. Ansonsten verstehe ich nichts. Der Herr Polizist grinst freundlich, klopft mir auf die Schulter und wünscht mir eine gute Fahrt!

Im Cocoratal hinter Solento soll es die seltenen Wachspalmen geben, die höchsten Palmen überhaupt. Eine sehr schmale asphaltierte Straße führt in engen Kurven dorthin. Als ich am Eingang zum Nationalpark ankomme, werde ich auf einen Parkplatz gewiesen. Eintritt scheint der Park nicht zu kosten. Der Parkplatz gehört zu einem Restaurant; der freundliche Einweiser gibt mir allerlei Informationen auf "spenglisch". Auf diese Weise komme ich ganz schnell an ein Pferd, was ich eigentlich wollte. Der Einweiser und der Pferdemensch freuen sich - für eine Stunde kostet es 28.000 Pesos (ca.13 €) inklusive Führer. Man bietet mir noch einen Regenponcho an, den nehme ich aber nur zur Sicherheit mit. Der Führer ist zu Fuß, ich zu Pferd. Er geht unsichtbar hinterher und lenkt heimlich das Pferd. Es tut genau, was er sagt. Mich braucht es gar nicht. Nach einem kurzen Anlauf auf einem befahrbaren Erdweg, wird es steinig und holprig. Wir kreuzen an einem Wehr den Fluß um kurz danach steil über Felsbrocken nach oben abzubiegen und etwas weiter oben erneut durch den Fluß zu reiten. Hier ist er tief und reißend, aber das Pferd tut, als ob nichts wäre. Überhaupt ist es sehr trittsicher und kraxelt über Felsen und Bäume, wo ich zu Fuß Schwierigkeiten gehabt hätte. Unsere eigenen Pferde hätten hier bestimmt keinen einzigen Fuß hingesetzt! Als wir losgeritten sind hat es gedonnert. Kaum sind wir im Wald, fängt es an zu regnen. Am Umkehrpunkt vor einem extrem steilen glatten Felsen baden wir in einem Wolkenbruch. Den Kunststoffponcho habe ich schon lange an - er hat keine Ärmel, eine ganz enge Kapuze und reicht weit über die Beine. Es regnet herein! Das Wasser läuft mir den Hals hinunter und an den Waden entlang. Armer Kameltreiber! Muß die ganze Strecke in Gummistiefeln rennen. Meine Fotos sind leider alle verwackelt - das Pferd war einfach zu schnell (oder der Regen zu heftig)! Anhalten konnte ich nicht, das Pferd hat ja nur auf den unsichtbaren Kameltreiber gehört. Und ich dummes Huhn hatte zwar meine Helmkamera dabei, aber vergessen sie zu benutzen! So werden die Bilder und Eindrücke wohl mein Geheimnis bleiben...

Als wir zurück sind, verziehe ich mich in's Restaurant um mich und die trotz Poncho nassen Klamotten zu trocknen. Aber es ist saukalt, da trocknet nichts. Der Besitzer, ein junger englisch sprechender Mann, gibt mir eine Decke zum Wärmen und bietet mir an, so lange ich will hier zu bleiben. Natürlich auch über Nacht. Ich dürfte auch hier zelten - aber bei dem Wetter??? Er könnte ja ein Zelt aufstellen, in das ich dann mein Zelt stelle - haha! Der Mann hat lustige Ideen! Seine Freundin gesellt sich zu uns und wir sprechen über Motorräder, die Panamericana und meine Reise. Er würde auch gerne diese Reise machen; mit seiner Freundin. Vielleicht kommt er ja mal nach Deutschland und besucht mich? Eigentlich möchte ich warten, bis es aufhört zu regnen, aber es fängt schon wieder an zu donnern. Momentan hat der Regen nachgelassen und so eile ich zur Lisl, um meine Regenklamotten anzuziehen. Restaurantbesitzer und seine gesammelte Mannschaft an Einweiser, Kameltreiber, Bedienung begleiten mich und staunen, was Senor Chef alles über mich und die Lisl erzählt! Adios! Nur 2 mal hupen, nicht winken, denn das Gelände ist schwierig.
Die Rückfahrt auf der mittlerweile überschwemmten und mit Laub und Ästen gespickten Straße ist wieder mal ein Blindflug mit beschlagener Brille, also etwa Schritttempo. Nach 9 km in Solento trockne ich den Beschlag mal kurz, jetzt wird auch das Wetter etwas trockener. Bald sind wir wieder auf der Autobahn - ringsum Wolken und Gewitter, aber hier ist es trocken. Nächstes Ziel ist der Kaffeepark - bin mal gespannt, was ich dort lerne. Aber der hat erst morgen früh wieder offen. Ich werde heute zumindest bis in die Nähe fahren, das paßt auch zeitlich ganz gut.

Montenegro. Erreiche ich über eine kleine betonierte Nebenstraße, die auf einem Kamm entlang führt. Zwischen Bananenplantagen liegen in paar kleine Ortschaften am Weg, eigentlich sind es nur ein paar Häuser. Aber die sind sehr adrett und haben meist einen hübschen Garten. In Montenegro holt mich wieder die städtische Realität ein - Staub, Ruß, Krawall, Chaos. Ich kann mich daran einfach nicht gewöhnen. Hotelsuche. Ich frage mal an der Tankstelle und folge der Empfehlung. Eigentlich gibt es hier nur Betten in dunklen Zellen. Ein anderes Hotel liegt nicht weit weg - ein 3-stöckiger Bunker. Gefällt mir auch nicht. Außerdem hat die Lisl keinen Platz. Ja, es gibt noch ein "besseres" Hotel und da werde ich per Fahrradführer hingelotst. Ist hübsch, sauber, inklusive Frühstück - super. Ok, hat seinen Preis. die Lisl findet gegenüber in einem abgesperrten Hof einen überdachten Platz. Das Hotel arbeiet nicht mit dem Schlepper zusammen, darauf legen sie Wert; so geht er leider leer aus. Während der Aufnahmeformalitäten wird mir eine Tasse ganz leckerer Kräutertee serviert, weil ich ja keinen Kaffee trinke (hier im Herzen des kolumbianischen Kaffeeanbaus!). Es ist nicht weit bis zum Marktplatz. Ein kurzer Spaziergang zum Geldautomaten und Supermarkt? Als ich fast dort bin fällt mir ein, daß ich ja den Foto hätte mitnehmen können! Dann lasse ich halt einfach alles mal so auf mich wirken. Die Straßenhändler im Park, die sich mit Einheimischen unterhalten, die Musik aus den Bars und Restaurants, die bunten Lichter (es wird grad dunkel) und die Auslagen. Die Jungs von der Stahlratte hätten an den Atombusen der Schaufensterpuppen hier ihre helle Freude gehabt! Im Supermarkt kaufe ich nur Getränke; ich habe nicht einmal Lust, etwas zum Naschen zu kaufen, obwohl es sogar Weihnachtsgebäck gibt! Bin ich krank?
Die große Kirche am Platz ist geöffnet und Musik dringt heraus. Ich geh einfach mal reinschauen. Es ist gerade Gottesdienst und einige Leute besuchen ihn. Ich verstehe nichts, aber ich genieße ein paar Momente der Einkehr und des Schwach-sein-dürfens.

Zurück im Hotel gibt es wirklich eine warme Dusche (nur warm nicht heiß). Man hat mir noch eine kuschelige flauschig-weiche Decke hingelegt. Erfrischt setze ich mich auf's Bett um den Blog zu schreiben. Draußen blitzt und donnert es - endlich mal wieder ein Gewitter! Es ist wohl direkt über uns, kracht fürchterlich, ab und zu fällt der Strom aus und natürlich gießt es! Ich bin ja gespannt, wann ich wieder mal guten Gewissens zelten kann...

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=wpeeqvbkujqjwccw

Dienstag, 26. November 2013

Ein Kirchentag

Es hat 18 Grad, ist also "Pulloverwetter" (nicht Heizweste!). Das Päckchen, das ich gestern abgeholt habe, enthiehlt eine Halterung für mein neues Navi. Ich habe es teilweise gestern noch montiert, der Rest wird heute angeschlossen. Sieht richtig gut aus! Und das Navi hat jetzt endlich Strom.

Zipaquira ist doch nur kanpp 40 km nördlich von Bogota - kurzerhand entschließe ich mich, doch noch zur Salzkathedrale zu fahren. Auf dem Rückweg kann ich Bogota auch umfahren.
Während ich vor der Kathedrale auf Einlaß warte beobachte ich eine ebenfalls wartende Familie. Ich bewundere immer wieder, welch inniges und freundliches Verhältnis alle Familienmitglieder zueinander haben. Diese Familie hat 3 Kinder, der große Junge ist vermutlich 16 oder 17. Seine kleinen Geschwister (Schwester 12, Bruder 9) hängen wie Kletten an ihm. Und dann hängt sich der Große zum Schmusen an seine Mum.
Hier in Zipaquira wurde schon seit ewigen Zeiten Salz gewonnen - erst aus salzigen Quellen, dann im Tagebau, dann unter Tage. Mittlerweile wird die Mine in 4 Ebenen ausgebeutet! Besichtigen kann man nur die oberste Ebene. Dort wurde vor ca. 200 Jahren Salz abgebaut. In den entstandenen Gängen und Höhlen haben die Bergleute eine Kirche für ihren Schutzpatron eingerichtet. Inzwischen ist fast die ganze obere Ebene in eine Kirche umgewandelt. Entlang einiger Stationen, jeweils mit einem Kreuz versehen, kommt man schließlich zu größeren Höhlen, die mit christilichen Figuren geschmückt und in verschiedenen Farben beleuchtet sind. In manchen Räumen stehen Bänke, hier wird Gottesdienst abgehalten. In einer Seitenhöhle war Christi Geburt dargestellt - ein Anlaß, an Weihnachten zu denken. Besinnliche Momente in der Kathedrale. Auch an einen jüngst verstorbenen guten Freund muß ich denken. Jäh werde ich wieder zurückgerufen durch eine laut plappernde japanische Touristengruppe. Diese Salzkathedrale war ganz anders als ich sie mir vorgestellt habe, aber der Besuch war auf jeden Fall einen Umweg wert! Höhlen und Unterirdisches faszinieren mich!

Es ist später Vormittag, als ich mich auf den Weg nach Südwesten mache. Warm ist es geworden - also Pullover verstauen. Bereits nach wenigen Minuten erwischt mich schon wieder der Regen - ich rüste um. Die Regenhose bleibtg allerdings aus - keine Lust. Ich habe beschlossen, daß ich hinter den Wolken schon wieder Sonnenschein sehe und wenn Füße und Oberkörper trocken sind, muß das reichen! Meist haben wir derzeit eine gute Autobahn unter den Rädern. Manchmal müssen wir uns durch eine Ortschaft kämpfen, aber danach rollt es wieder 4-spurig. Als das Einzugsgebiet von Bogota hiner uns liegt und wir gerade mal wieder stolz eine Mautstelle passieren, werde ich herausgewunken. Die erste Polizeikontrolle in Kolumbien! Da bin ich Schlimmeres gewohnt. Alles ist korrekt, meine Papiere sind in Ordnung. Der nächste Mopedfahrer wird angehalten.

Um 15 Uhr bin ich gerade so mitten im schönsten Fahren. Wetter, Kurven, Kondition - alles paßt! Was schon 15 Uhr? Ach, ich hab ja noch Zeit. Ich kann nicht glauben, daß ich um diese Zeit schon an einen Schlafplatz denken muß - hab mal wieder vergessen, wie schnell das hier dunkel wird. Daher verschmähe ich auch die Hotels, die vor Ibague an der Straße liegen. In der Stadt selbst ist natürlich nicht so ohne Weiteres was zu finden, zumindest nicht an der Hauptstraße. Zum intensiv suchen habe ich keine Lust. Wird schon noch was am Ortsausgang kommen, denke ich mir. Ja, Stundenhotels! Also weiter. Kurvenreich und steil geht es in die Berge. Graue Wolken hängen in den Gipfeln. Schwertransporter, Stoßstange an Stoßstange - weit und breit kein Hotel! So langsam werde ich unruhig - da fragen wir doch mal das Navi! In 11 km soll ein Hotel zu finden sein. Tatsächlich kommt dort eine Ortschaft, die weder auf Karte noch Navi zu finden ist. Und auch das angegebene "Hotel" finde ich nach längerer Suche. An der Straße ist nur eine Tür zu sehen; dahinter führt ein schmaler Gang zur Rezeption.
Dort sitzt ein Pärchen, um die 40. Sie scheinen frisch verliebt zu sein, turteln und kichern unentwegt. Der Mann will wissen, welche Währung wir in Deutschland haben. Euro? Versteht er nicht. Nein, keine Dollar - die haben sie in Nordamerika. Euro! Ich krame einen 10 €-Schein heraus. Ein Leuchten geht über sein Gesicht. Aha! Und ob ich auch einen 1-€-Schein habe? Was ist das wert? Ich finde eine 1 €-Münze und schreibe auf, daß dies 2500 Pesos entspricht. Er möchte die Münze gerne behalten und will sie mir abkaufen - natürlich schenke ich sie ihm. Ganz stolz zeigt er sie seiner Freundin.
Mein Pass muß kopiert und zusammen mit einem Foto von mir an die Migrationsbehörde geschickt werden...ob das ein Problem wäre? Aber natürlich nicht - da ist er sichtlich erleichtert.

"Unter" mir ist eine Kirche - so eine von der Sorte, in der die Menschen in Ekstase geraten. Von außen ist das Gebäude als Kirche nicht erkennbar, innen werden die Menschen aus Lautsprechern von unsichtbaren Prdigern beschallt. Und das geht endlos so. Ich mache noch einen kleinen Ausflug in den Ort - es gibt einen hübschen Marktplatz mit einer schönen beleucheten Kirche (es ist schon dunkel!). Die Kirche wird gerade geschlossen, aber einen kurzen Blick kann ich noch hineinwerfen.

Mein Zimmer ist kaum größer als das Bett - das kenne ich schon. Aber es gibt eine Blechtüre zum Flur und nebendran ein vergittertes Milchglasfenster. Keine Vorhänge. Keine Schallisolierung. An der Rezeption unter mir läuft der Fernseher sehr laut. Straßengeräusche (SChwerlastwagen) dringen ungehindert bis zu mir. Das kann ja eine lustige Nacht werden.


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Montag, 25. November 2013

Auf Abwegen in die Hauptstadt

Es war eine lange Nacht, die ich mehr auf der Toilette als im Bett verbracht habe. Um 6 Uhr erwacht der Urwald - das ist ein Getöse!!! Ich hechte hinaus, um die Tiere zu sehen, die den Krawall verursachen, aber es ist nichts zu sehen. Es scheinen alles verschiedene Vögel zu sein, die sich wunderbar im Laub verstecken.
Um die gleiche Zeit kommt auch schon die Putzfrau und macht Radau im Nebenzimmer. Ich bleibe hartnäckig in meinem Zimmer. Das Aufstehen fällt mir heute sehr schwer. Als ich mich endlich aufgerafft und den Regenkombi verstaut habe, schaue ich nach draußen - es gießt in Strömen, ringsum ist es grau, keine Besserung ist weit und breit in Sicht! Irgendwann beschließe ich, daß ich da halt durch muß. Als der schlimmste Guß nachgelassen hat, wage ich mich zur Lisl - ich hab ihr gestern noch eine Vergaser-Grundeinstellung gegönnt. Sie stand die Nacht im Freien, also mitten im Regen. Die Spannung steigt! Ja!!! Sie springt bereits auf den zweiten Drücker an! Und sie bleibt an.
Also packe ich mich und meine sieben Sachen wasserdicht ein und wir machen uns auf die Reifen. Sicht ist gleich Null. Meine Brille ist naß, die Motorradbrille ist außen naß, innen beschlagen und dazwischen total verkratzt. So zockeln wir halt immer bremsbereit durch die Gischt und lassen uns von noch mehr gischtenden LKWs überholen. Ich unternehme den Versuch, ein Foto zu machen, ich glaube das wird ein Rätselbild. Ich kann das Display des Fotos nicht erkennen. Genausowenig meinen Tacho oder mein Navi. Etwa eine Stunde lang halten wir das aus, die Lisl ist tapfer und hat keinen Aussetzer! Ist schon seltsam und sehr unwahrscheinlich, was uns da passiert ist - zwei Fehler gleichzeitig, deren Symptome sich ähnlich äußern. Mein Fazit ist: die neuen Zündkabel sorgen für Wasserfestigkeit und das korrigierte Ventilspiel verursacht das gute Anspringen. Wind- und Regengeräusche sind so laut, daß ich nicht feststellen kann, ob der Motorlauf rund ist, aber es fühlt sich ganz ordentlich an. Beim Tankstop reinige und trockne ich alle Brillen, in der Hoffnung nun etwas mehr zu sehen. Und oh Wunder - auf einmal kommt von oben gar kein Wasser mehr! Die Straße ist allerdings noch eine ganze Zeitlang naß.

Wir passieren ein paar meiner Lieblingsmautstellen auf der schmalen Mopedspur. Dann rauschen wir über eine herrliche Autobahn voran - wir wolle ja schließlich Strecke machen. Ich habe mich in Bogota angekündigt, will meine Halterung für das Navi abholen. Weil ich heut morgen getrödelt habe, bin ich jetzt ziemlich spät dran. Bis zur Salzkathetrale nördlich von Bogota sind es über 200 km und von da aus schätzungsweise nochmal 60-80 bis zur Adresse in Bogota. Ich gebe Gas und die Lisl rennt. Der Spaß währt allerdings nicht lange, bevor "Strecke" erreicht ist, kommt das Ende der Ausbaustrecke. Immerhin geht es trotzdem einigermaßen flott dahin. Bis das Navi mich in die Irre führt. Zuerst schickt es mich über eine schmale Brücke eines sehr breiten Flusses. Die LKW stehen davon kilometerlang Schlange. Dann jagt es mich durch den noch längeren Stau in der Gegenrichtung wieder zurück. Es ist so eng und dicht, daß auch auf 2 Rädern kein Weg vorbei führt. So nutze ich eine Standpause, um wenigstens kurz mal die Regenjacke auszuziehen. Ich koche schon, mein T-shirt duftet wohl nach Menschensuppe - Menschenfressern würde jetzt sicher das Wasser im Mund zusammenlaufen. Zurückgekämpft über die Brücke muß ich die irreführende Navigation verstehen - ich lande auf einer ziemlich schlechten Ausfallstrecke. Als sie zum Erdweg mutiert halte ich an, um auch die Regenhose auszuziehen - es ist sehr warm. Hinter mir ruft jemand - ein Polizist will helfen. Ich verstehe, daß auf ca. 30 km die Straße in diesem "guten" Zustand ist, nicht schlechter. Sie führt in die Berge und dort lauern die Wolken. Nur 30 km Erdweg? Und dann haben wir eine Abkürzung Richtung Bogota genommen? Jetzt zurückzufahren ist vermutlich auch nicht schneller. Also Erdweg. Holprig, löchrig, manchmal sandig oder schlammig. Aber kaum Verkehr. Mein Navi bleibt eine Zeitlang bei dieser Straße, dann kennt es plötzlich keinen Weg mehr hier. Dummes Ding! Ich verlasse mich auf den Polizist und halte tapfer durch. Die Lisl auch, nur ihr Lenkkopflager tut mir leid. Anscheinend soll hier mal eine Straße gebaut werden, die mein Navi schon kennt. In Realität sehe ich ab und zu eine Trasse, eine Schneise, die Andeutung eines Tunnels oder einer Brücke. Wir schlängeln uns darum herum. Manchmal sind wir heftigem Baustellenverkehr ausgesetzt aber im Allgemeinen gehört die Straße uns. Gegen Ende der Strecke dürfen wir uns sogar manchmal schon auf der neuen Autobahn ausruhen, das ist sehr erholsam. Zumal außer uns praktisch niemand unterwegs ist. Noch ein letztes abenteuerliches Schlechtwegestück und wir treffen wieder auf die andere Hauptstraße.

Die ist in ziemlich gutem Zustand und läßt sich gemütlich fahren. Heute ist Sonntag, die LKW-Menge hält sich in Grenzen. Und dann geht es aufwärts. In die Berge. Auf insgesamt etwa 2800 m. In herrlichen Kurven. Eine Menge Mopeds begleiten uns, bergab sind sie meist schneller als wir, ich habe kein Kurventalent. Aber steil bergauf oder beim Überholen, da können sie mit Lisls Kraft nicht mithalten! Ja, sie hat fast ihre alte Form wieder. Im Staubetrieb ist sie noch unrund, aber unter Last läuft sie wunderbar.
Jetzt muß die Entscheidung fallen, ob ich noch zur Salzkathedrale fahre. Rechnen. Die Entfernung ist bei dieser kurvenreiche Strecke kaum weniger geworden. Das wird eng. Leider muß die Kathedrale dem Zeitmanagement und Regen zum Opfer fallen. Bis Bogota brauche ich auch noch über eine Stunde und es ist schon Nachmittag. In der Dunkelheit in Bogota ein Hotel suchen? Das wird nichts! Es wird kalt und kälter, auf 18 Grad fällt das Thermometer. Ich habe fingerlose Handschuhe an - keine Zeit zum warm anziehen. Ich werd das schon aushalten. Noch 45 min. Ich bin in der Stadt - Stauverkehr. Graue Wolken über uns, ein wenig Niesel spüre ich. Lieber Gott, laß es bitte nicht regnen. Er hört auf mich - der Regen scheint vorbei zu sein, hat allerdings in den Straßen riesige Pfützen hinterlassen. Auch von den Busdächern platscht das Wasser, wenn sie über einen Huppel fahren - trocken bleibe ich also trotzdem nicht.

Die Adresse ist relativ schnell gefunden - 2 mal um den Block fahren und einmal fragen. Den Umschlag mit der Halterung und Stromversorgung für das Navi bekomme ich sofort und ohne großes Trara. Ob sie ein Hotel hier in der Nähe kennen? Nein! Vielleicht im Zentrum? Beim Pförtner die gleiche Antwort. Aber wozu hat man ein Navi? Das soll doch mal ein Hotel suchen - in 1,8 km soll sogar eines sein. Das nächste kennt die Senora, das ist aber sehr teuer. Also auf zum unbekannten Hotel. Zwischen Hinterhöfen, straßenbreiten wassergefüllten Löchern, zwielichtigen Werkstätten und Läden übersehe ich den Hoteleingang sogar 2 mal. Aber Hartnäckigkeit siegt. Trotzdem ist es erstaunlich teuer. Nebenan entdecke ich ein Hostel - hat auch nur Einzelzimmer (keinen Schlafsaal) und ist fast genauso teuer. Na ja, Großstadtpreise. Ich checke im Hotel ein, die Lisl bekommt einen Parkplatz neben der Rezeption in einer abgeschlossenen Garage. Bevor ich mein Zimmer richtig in Beschlag nehmen kann, höre ich schreckliche Schreie. Entweder wird hier grade jemand ermordet, oder ein Verrückter oder total Betrunkener tobt sich aus. Wo bin ich da hingeraten? Zimmer abschließen und in-s Schneckenhaus zurückziehen. Die Dusche dürfte ruhig auch warmes Wasser von sich geben, das was da herauskommt ist deutlich kälter als der gestrige Swimingpool. Also eine kalte gute Nacht!


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Sonntag, 24. November 2013

Ein guter Tag

Eine gute Homebase ist durch nichts zu ersetzen, besonders, wenn sie das große Latinum hat! Dank des segensreichen Internets jederzeit nutzbar. Meine homebase - mein Göttergatte Fritz - hat sich mit meinen Problembeschreibungen auf den Weg zur Werkstatt meines Vertrauens gemacht. Dort haben die Professoren Rat gehalten. Ihr Ratschluss war: Zündschloss trockenlegen und Ventile einstellen. Mein Latein hätte eigentlich bis zu den Ventilen reichen müssen (auch wenn ich die Verbindung zu Startverhalten und Aussetzern nicht gezogen hätte). Direkt neben Lisls Einzelzimmer wird intensiv an Mopeds geschraubt - eine Werkstatt. Dort leihe ich mir die Pressluft aus, um dem Zündschloß ordentlich Wind zu machen. Und wo ich schon mal dabei bin, also gut, werden gleich die Ventile angegriffen. Ich hatte keine Lust dazu und wollte es auf die lange Bank schieben, aber jetzt packt's mich. Unter den neugierigen Blicken der Mechaniker und Lehrlinge, sowie weiterer Zaungäste baue ich Zündkerzen und Ventildeckel aus. Ich glaube, es sieht sehr professionell aus und zum Glück gelingt mir auch alles auf Anhieb - die umstehende Mannschaft schaut achtungsvoll zu. Tatsächlich - das Ventilspiel war deutlich zu gering! Ob das die Wurzel des Übels war, wird sich allerdings erst in ein paar Tagen beweisen. Zusammenbauen, Daumen drücken, Anlasser drücken. Orgel...uups, den Benzinhahn sollte man aufmachen. Und? Die Lisl erwacht! Das war schon mal sehr gut!

Es ist immer noch kalt - wir sind auf knapp 2800 m und haben 18 Grad. Pulloverzeit. Aber herrlich zum fahren. Straße und Verkehr liefern ein Übriges zum Fahrspaß! 3/4-Takt-Kurven, die LKWs werden kurzerhand rechts liegen gelassen (auch bei doppelt durchgezogener Linie) - und weiter geht's. Wir genießen! Die Lisl die Kurven und den ziemlich guten Straßenbelag, ich die Berge, die Aussicht und die Natur. Aber auch das schönste Vergnügen ist irgendwann mal vorbei; in diesem Fall staut sich eine lange Schlange vor mir. Ich taste mich daran vorbei - ich schätze mal, es ist ein Kilometer - bis ich an einer Sperre ankomme und mich in einem Pulk Mopedfahrer einreihe. Wir warten bestimmt eine halbe Stunde, dann kommt aus der Gegenrichtung ein Feuerwehrauto. Wieder lange nichts, dann eine Reihe schnaufender und stinkender LKWs. Warten. Nochmal ein Pulk aus der Gegenrichtung. Endlich dürfen wir. Ein Stück weiter wird die Straße asphaltiert, die Straße ist nur einspurig befahrbar. Aber schon wenige Kilometer weiter das gleiche Spiel. Nur wird hier noch nicht asphaltiert, sondern erst geschottert - der Untergrund ist tief und weich, die Oberfläche sandig und staubig. Ein paar Mopedfahrer vor mir wirbeln Staub auf - unanagenehm aber erträglich. Nur glauben dann 2 Geländewagenfahrer, sie könnten schneller sein und überholen. Ich bin total blind! Man sieht echt nichts mehr. Wenn ich Abstand halten will, muß ich lange warten, bis sich die Staubwolken verzogen haben, und dann überholt mich ein LKW - ein Teufelskreis. Irgendwann beschließe ich, draufgängerisch im Blindflug die zweispurigen Fahrzeuge zu überholen und mich vorndran zu setzen - jetzt laß ich keinen mehr vorbei. Es ist gelungen.

Die Berge werden niedriger, sind aber immer noch steil; sie sehen seltsam dahingesetzt aus. Irgendwie wie eckige Ameisenhügel. Wir folgen einem schäumenden braunen Fluß, es macht Spaß, das wilde Wasser zu beobachten. Während der Fahrt ist das natürlich schwierig und Anhaltestellen gibt es hier so gut wie nie. Ich muß einfach hoffen, daß grad keiner kommt. Mittlerweile ist die Besiedelung deutlich weniger geworden, die Fahrt führt oft einfach durch den Dschungel oder an Weiden vorbei. Ab und zu gibt es eine kleine Ortschaft entlang der Straße, in manchen entdecke ich lustige Weihnachtsdekoration. Auch der Verkehr ist zurückgegangen. Pulkweise treten die Dieselstinker auf, wenn ich vorbei bin, habe ich auf lange Strecke freie Fahrt. Unser Fluß führt hinunter in das Tal des Rio Grande - ein sehr breiter Fluß in einer weiten Tiefebene. Große Haziendas mit feudalen Herrenhäusern machen sich hier breit. Auf den Weiden sieht man diese lustigen Kühe mit den großen Ohren, ohne Hörner und mit Buckel. Ich glaube, die heißen Zebus. Auf jeden Fall finde ich sie sehr interessant.
Fast auf Meereshöhe angekommen sind die Temperaturen entsprechend gestiegen und bewegen sich jetzt wieder um die 30 Grad. Der Pullover verschwindet. Eine Gischt erreicht mich - wieder LKW-Waschstraßen? Es hört nicht auf - plötzlich ist der Regen da. Ringsherum scheint die Sonne, also beschließe ich, den Regen einfach zu ignorieren. Es ist so warm, der wird gleich wieder verdunsten. Als ich nach einer viertel Stunde durchnäßt bin und es hinter dem nächsten Berg schon wieder (oder immer noch) grau ist, stelle ich mich doch unter einer Palme unter. Nach 10 Minuten ändert sich immer noch nichts. also krame ich doch den Regenkombi raus. Über die nassen Klamotten - tolle Sauna. Was kann denn die Goretex-Membran??? Schon nach 5 Minuten Fahrt ist es trocken, ja sogar die Straße war hier wohl noch nie naß! Typisch! Jetzt zieh ich die Klamotten aber nicht schon wieder aus...gut gepokert, kurz darauf kommt der nächste Guß. Das Spielchen geht eine ganze Weile, bis wir endgültig im Rio Grande Tal angekommen sind.

Chrrrrrrrrrrr---jetzt bin ich doch glatt mitten im Blog schreiben eingeschalfen!!!



An einer Kurve mit Weideneinfahrt mache ich eine kurze Pause. Ich entdecke einen Wasserfall, den ich allerdings nur von oben vermuten kann - unter mir fällt es senkrecht in den Dschungel ab. Kurz nach mir kommt ein dreirädriger Motorradlieferwagen voller Fleisch an. Der Fahrer geht um den Wagen herum, schnappt sich eine große schwere Plastiktüte voller Abfälle und wirft sie einfach in die Schlucht. Ja, so sieht es hier vielerorts aus - schade!

Kurz nach Überquerung des Rio Grande muß ich mich entscheiden, ob ich Bucaramanga noch besuchen will oder nicht. Reinhold hat gesagt, es wäre eine schöne Stadt und vor allem wäre die Straße nach Bogota sehr schön. Und am Weg liegen noch weitere Sehenswürdigkeiten. Aber ich müßte nochmal nach Nordosten abbiegen und würde einen Umweg von schätzungsweise 2 Tagen machen. Schöne Straßen hatte ich eigentlich schon - und Städte reizen mich nicht so sehr, also entscheide ich mich, direkt nach Bogota zu fahren. Entlang des Rio Grande führt eine breite gerade langweilige Straße. Die Hotelsuche wird etwas schwierig, weil überhaupt keine Ortschaften mehr kommen. An Tankstellen gibt es manchmal ein Hotel, dient eigentlich als Übernachtungsmöglichkeit für Fernfahrer und macht mich überhaupt nicht an. Erst gegen 17 Uhr, also auf den letzten Drücker sehe ich ein großes Hinweisschild. Das Gebäude dahinter sieht nett aber verlassen aus. Machen wir's kurz: ich nehme mir in diesem Hotel ein Zimmer für 80 T Pesos. Die Hotelpreise und -Qualität gehen rauf und runter, wie die Höhenmeter der Straße. Dieses Hotel ist wirklich hübsch - die Zimmer sind sehr nett eingerichtet, alles mit naturbelassenen Hölzern. Auch das Restaurant ist in diesem Stil eingerichtet - einige sehr schöne Ideen haben die Besitzer umgesetzt. In mehreren kleinen Häusern auf einer Anhöhe direkt über dem Fluss sind die Zimmer untergebracht, rund um die Häuser sind Balkone und palmgedeckte Sitzplätze. Der Wasserfall und die Massagedüsen des Swimmingpools werden extra für mich eingeschaltet. Ich scheine jedoch der einzige Gast zu sein - warum nur? Einziges Manko sind die wirklich vielen Moskitos, bisher bin ich vor denen verschont geblieben. Im Restaurant entdecke ich noch andere Tiere - eine Fledermaus segelt durch die Halle und Gekkos flitzen über den Boden. Auch ein Frosch hat sich hierher verirrt.


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