Freitag, 3. Januar 2014

Villa Kunterbunt

Der Wind rüttelt am Zelt. Es ist sternklar und kalt. Die Isomatte "iso-t" nicht mehr, sie ist schon lange inkontinent und hält die Luft nicht mehr. Die Erbsenprinzessin spürt jedes Steinchen. Der Schlafsack hat auch schwer gelitten, die Füllung ist an vielen Stellen lückenhaft. Mein Unterhaut-Neopren ist geschmolzen und so friere ich vor mich hin.
Obwohl ich keinen Coca-Tee getrunken habe, kann ich kaum schlafen. Gerädert stehe ich am Morgen auf.

Es gibt heute endlich mal wieder ein Campingfrühstück: Kakao und Müsli. Als alles gepackt ist, frage ich die Lisl nach ihrem Befinden. Schlecht. Sie mag nicht. Sie springt einmal kurz an, geht aus und dann mag sie nicht mehr. Die Batterie ist leer. Letzte Chance ist, den Berg runterlaufen lassen...aber der ist sehr steil, sandig und ausgewaschen. Eigentlich ein Untergrund, auf dem der Motor laufen sollte. Selbst im dritten Gang rutscht der Reifen auf dem Sand statt den Motor anzutreiben. An einer etwas flacheren Stelle klappt es dann, die Lisl springt an. Aber schon wieder geht sie aus. Noch ein Versuch! Aber jetzt laß ich sie nicht mehr ausgehen! Auf der Autobahn kann ich die leere Batterie wieder aufladen - hoffentlich. Und ich spare: keine Griffheizung und kein Laptop laden. Ich hoffe, das reicht. Natürlich folgt jetzt eine schöne Campingmöglichkeit der anderen, die Autobahn führt direkt an der Küste entlang und es gibt jede Menge Ausfahrmöglichkeiten. Irgendeine hellseherische Kraft hat mich aber gestern abend genau auf dem Berg anhalten lassen; ich bereue es nicht!

Die Wüste weicht - im Laufe des Nachmittags wechselt der Anblick von Kakteen zu trockenem Buschgras, kleinen Büschen, Kiefern (!), Blumen, Eukalyptus und und und...jetzt bin ich anscheinend wirklich der Wüste entronnen. Vermutlich nur an der Küste, aber da bin ich ja schließlich auch. Es duftet wieder. Nach trockenem Gras. Nach Kiefernnadeln. Nach Fisch. Nach verbrannter Erde. Nach einfach allen herrlichen Düften dieser Welt!
Die einzige Alternative zur Autobahn führt mitten durch reiche , touristische Küstenorte. Ich nutze das aus und bleibe, wenn möglich, immer direkt am Meer. Die Orte sind schön. Ein wenig wie am Mittelmeer. Keine Lehmhütten mehr sondern propere Villen. Auch reiche Villen direkt an der Steilküste über dem Meer. Viele Hotels. Und einige sind noch im Bau. Den Menschen scheint es gut zu gehen. Viele treiben Sport - joggen, skaten, radfahren. Wir tuckern ganz gemütlich entlang. Weit haben wir ja heute nicht mehr.

In Erwartung der Villa Kunterbunt in Valparaiso lasse ich die Suche nach Mittagessen mit Internet ausfallen. Lieber fahre ich direkt dorthin, buche mich ein und suche dann vor Ort etwas Essbares. Villa Kunterbunt ist ein Treffpunkt für Motorradreisende in Südamerika. Leider konnte ich vorab keinen Kontakt bekommen, aber einen Platz für mich haben sie bestimmt noch... Nein, leider nicht - sagt Martina. Ich darf aber Wasser auftanken, Toilette und Internet benutzen, dann muß ich einen anderen Schlafplatz suchen. Schade. Ich wollte etwas Hilfe bei der Suche nach neuen Reifen. Da kann nur Enzo helfen - Martinas Mann, der aber erst später zurückkommt. Als Enzo auftaucht, findet er sogar noch eine Möglichkeit, mich unterzubringen - auf einer Matraze im Klavierzimmer. Ich bin ja nicht anspruchsvoll, ich finde das Klasse! Und es gibt eine heiße Dusche mit viel Wasser!
Enzo hat eine Reifenadresse für mich da fahr ich gleich heute mal noch hin. Im zweiten Anlauf finde ich den etwas versteckten Laden. Es gibt eine Menge Motorradreifen dort - nur Marke Pirelli. Falsches Profil und falsche Größe. Aber endlich bekomme ich neue Gummistrapse für mein Gepäck und eine neue Motorradbrille (noch nicht verkratzt)! Kettenspray, das ich für einen bayrischen Gast in der Villa mitbringen sollte, haben sie auch nicht. Aber ein Kunde - Ivan - nimmt sich meiner an. Ivan hat selbst eine kleine Werkstatt; er fährt mit mir drei Reifenmöglichkeiten ab, leider alle erfolglos. Dafür bekommen wir noch ein sehr preiswertes Kettenspray.

Es ist später Nachmittag, als ich zur Villa zurückkomme. Julia aus Rheinland-Pfalz kocht für sich mit Mann und die drei Bayern Spaghetti Bolognese - ich darf mitmachen. Das wird ein lustiges und leckeres Essen! Später gesellt sich noch ein holländisches Pärchen dazu. Die Holländer und die Bayern wollen nach Ushuaia - man wird sich sicher nochmal begegnen. Benzingespräche. Julia und Hans-Dieter beenden ihre Reise hier, ihre Motorräder werden morgen eingepackt. Die Bayern wollen jetzt schon überflüssiges Gepäck loswerden - gute Idee! Meine alten Ersatzteile und ein paar Andenken, die mit der Post bisher zu teuer waren, dürfen auch noch mit in die Kiste. In Deutschland werde ich schon irgendwie wieder dran kommen.

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=zjxergglueicoicn

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