Samstag, 4. Januar 2014

Völlerei & Verschwendung

Es war ein ziemliches Durcheinander gestern nachmittag - so viele Leute und so viel zu erledigen - daß ich ganz vergessen habe, mich um die Lisl zu kümmern. Ich wollte in paar kleinere Reparaturen vornehmen, die größeren hätte ich aus Platzmangel sowieso nicht machen können.
Als wir am Abend noch lange gemütlich zusammengesessen haben, hat es einmal einen kräftigen Rumpler getan - keiner hat darauf reagiert. Bis Enzo uns gefragt hat, ob wir das Erdbeben (Stärke 5) nicht gemerkt hätten? Außer mir hat es allerdings nur noch  Julia gemerkt. Ich habe gesehen, wie das ganze Haus gewackelt hat - die Jungs haben gar nichts bemerkt. Sie haben Horrorgeschichten erzählt. Von fürchterlichem Wind auf der Piste nach Ushuaia. Und vom plötzlichen Höhentod eines Spaniers, der mit seiner Frau ebenfalls mit dem Motorrad unterwegs war. Zum Glück habe ich diese gefährichen Höhen hinter mir (glaube ich zumindest)!

Am Morgen frühstücke ich meinen Joghurt - kurz darauf erscheint Fred mit frischen Brötchen; richtig feste Konsistenz und sogar noch warm! Da muß ich natürlich nochmal nachlegen! Die Holländer bestätigen mich nachträglich in meiner Entscheidung, die "gefährlichste Straße der Welt" und den Salar de Uyuni nicht zu fahren. Sie haben beides gemacht. Die Straße ist nicht mehr gefährlich, seit dort keine LKW mehr fahren, in Kolumbien und Peru sind wir schon viele solcher Straßen gefahren. Und den Salar würde sie nicht mehr fahren, es ist eine Schlammschlacht und die Mopeds bekommen eine ekelhafte Salzkruste. Eine Quälerei. Von phantastischen Schönheiten haben sie nicht gesprochen.

Die Lisl versperrt sowieso das Tor, so ist es das Beste, daß wir als erste aufbrechen. Ich möchte nach Santiago, d.h. eigentlich möchte ich nicht, aber ich habe die Hoffnung, dort Reifen zu bekommen. Die erste Hürde ist immer, herauszufinden, in welchem Laden Etwas zu bekommen ist, die zweite Herausforderung ist dann, das Geschäft auch zu finden. Hürde eins habe ich mittels Internet gemeistert - Motoaventura in Santiago soll Reifen vorrätig haben. Richtige Größe und Marke! Bei Hürde 2 hilft das Navi wunderbar - nur ich finde den Laden trotzdem nicht. 2 mal muß ich fragen, dann bekomme ich einen Führer. Der Laden ist neben dem Hintereingang einer Bank versteckt! Zwar ein neues modernes großes Gebäude, aber ein ziemlich kleines Geschäft. Und vollgestopft. Man kann sich kaum umdrehen. Der Angestellte wundert sich überhaupt nicht über die Reifengröße, schaut die Lisl einmal an und behauptet, die Reifen wären da. Allerdings sind vor mir noch 2 Mopeds dran mit Reifenwechsel. Ich möchte sicherstellen, daß die Reifen wirklich da sind - es gibt im Schaufenster einen kleinen Stapel an Reifen - und da sind wirklich der richtige Vorder- und Hinterreifen dabei!!! Back to Heidenau (das ist die Marke; nach unserem kleinen Ausflug zu Conti)!
Das Hinterrad baue ich schon mal aus. Dann müßte ich gut eine Stunde warten, die verbringe ich kurzerhand nebenan bei McDonalds. Jetzt muß ich doch mal so einen Angusburger versuchen! Und zum Nachtisch ein Eis. Ich bin voll!! Als ich zurückkomme, bringt der Mechaniker soeben das Hinterrad zurück - das ist vielleicht ein timing! Vorderrad raus und dem Mechaniker in die Hand drücken. Bis ich die Lisl hintenrum fertig gemacht und aufgepackt habe, ist genau zeitgleich der Mechaniker wieder fertig. Vorderrad rein - da stelle ich das Malheur fest. Beide Räder wurden in Quito in der Werkstatt ohne mein Zutun eingebaut - alle Schrauben waren total festgeknallt. Anscheinend haben sie zumindest eine der 4 Klemmscharuben an der Vorderachse ruiniert, das Gewinde hängt in der Schraube. Da kann ich jetzt gar nix machen, die anderen 3 müssen halten. Aber ärgern darf ich mich doch? Nach ca. 2 Stunden ist alles erledigt, der Preis liegt mit umgerechnet 290 € knapp auf heimischem Niveau. Tja, Chile ist kein Billigland!
Der Vorderreifen hat nach nur 9-tausend km Sägezähne, der Hinterreifen ist eigentlich noch "pfenniggut". Aber weiter südlich werde ich vermutlich nichts mehr bekommen und ich habe noch ca. 8000 km vor mir. Und mitschleppen, um ihn später zu montieren, mag ich auch keinen Reifen. Mein Schwabenherz schmerzt ob der Verschwendung!

Bei der Entfernung Valparaiso - Santiago habe ich mich mal wieder etwas verschätzt, zumal der Laden hinter der Stadt liegt. Es waren über 100 km - alles Autobahn und gut befahren. Die Autobahn führt auch wunderbar durch die Stadt bzw. an ihr vorbei, abgesehen von ein paar verwirrenden Autobahnkreuzen (einmal falsch abgebogen, kommst Du nie mehr zurück!) fährt es sich ziemlich unbeschwert. Fast komme ich mir vor wie zu Hause! Selbst einige lange Tunnel gibt es, die unter der Stadt durchführen. Mit der Sonnenbrille bin ich darin allerdings stockblind und so bemerke ich die Spurrillen erst, als die Lisl auf ihren neuen Schuhen zu tanzen anfängt. Sie muß sich auch erst wieder umgewöhnen.

Über Santiago kann ich nicht viel sagen, bin ja nur auf der Autobahn vorbeigefahren. Ein paar moderne spiegelverglaste Wolkenkratzer ragen in die Luft und in der Ferne schimmern zwei schneebedeckte Gipfel durch den Dunst.
Wie gesagt, wir sind jetzt etwa 100 km in's Landesinnere gefahren - hier ist es wieder ordentlich heiß. Was so ein Pazifik doch ausmacht! Die letzten Tage war mir der dünne Pullover fast zu kalt und jetzt schwitze ich im T-shirt bei offener Jacke. Ich muß mich wirklich täglich oder stündlich an stark veränderte Bedingungen anpassen. Aber die Wüste scheinen wir jetzt endgültig hinter uns zu haben. Ausgedehnte Weingüter, fette grüne Felder und Zypressen- oder Pappel-Alleen, etliche kleinere Straßen und etwas dichterer Verkehr muten eher wie Toscana oder Südfrankreich an. Wenn nicht ab und zu ein paar Gauchos dazwischen herumreiten würden...

Sehr weit werden wir heute nicht mehr kommen, aus dem Einzugsgebiet von Santiago möchte ich aber hinaus. Und ein schönes Plätzchen finden. Ein Stück südwestlich ist ein See, den steuern wir an. Aber wie immer an schönen Plätzen (Naherholungsgebiet) ist hier natürlich alles vergeben und verbaut. Ich werde auf einen "offiziellen" Campingplatz müssen. Der erste ist wunderschön - und kostet 30-tausend Pesos! Das ist dreimalsoviel wie für das Hostel gestern! Auf dem zweiten bleibe ich für 10.000 (14 €). Zwischen meinem Zeltplatz und dem See gibt es eine schöne baumbewachsene Liegewiese. Auch meine Parzelle hat Bäume, so daß die Hitze deutlich gemildert wird. Heut kommt "erst das Vergnügen, dann die Arbeit" beschließe ich kurzerhand und springe in den See! Das Zelt kommt später dran.
Ach, und da könnte ich ja die Isomatte im Wasser noch nach Löchern untersuchen...allerdings habe ich kein Flickzeug mehr übrig. Ich glaube, die Matte hat auch einen Fabrikationsfehler - entlang einer einzigen Naht habe ich schon 4 Löcher geflickt und finde jetzt noch 3 neue! Warum habe ich in letzter Zeit auch immer so ein Glück?! Das ist jetzt die dritte Matte in Folge, die Fabrikationsfehler hat! Ich glaub, die nächste Matte muß ich mir selber basteln.


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=vkwsdiuthbzappss

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