Montag, 7. Oktober 2013

Versöhnung


Am Vormittag bekomme ich im Supermarkt Honig, Kamillentee (gegen Zahnschmerz) und 2 Äpfel. Mehr fehlt mir momentan nicht. Auch Tanken (mit Kreditkarte) ist gar kein Problem. Nur der Bankautomat will einfach nichts ausspucken - auf keine Karte! Und dann geht mir beim Helmaufsetzen doch tatsächlich die Brille kaputt - dirket zwischen Nasenbügel und Glas. So ärgerlich!
Ich glaube, das hier ist gar kein Abenteuer, sondern eine Lektion. Ich soll lernen, wie gut es mir zu Hause geht. Viele Dinge registrieren wir zu Hause gar nicht:
  • Brille? Kommt ein paar Tage zum Optiker - ist wieder heil; in der Zwischenzeit trägt man die jederzeit verfügbare Ersatzbrille.
  • Zahnschmerz? Sofort zum verfügbaren Zahnarzt des Vertrauens, der hilft!
  • Lisl kaputt? Werkstatt ist zu Hause; wenn man nicht mehr weiter weiß, steht der Händler oder viele schlaue Freunde zur Verfügung.
  • Isomatte undicht? Kein Problem - in 2 Tagen schickt das Internet eine neue!
  • Kamera lädt nicht? Zurück zum Verkäufer - wird kostenlos repariert.
  • Neue Reifen? Händler ist 2 km weg und hat in einem Tag Ersatz.
  • und so weiter...
Aber ich hier - allein in der Fremde, heimatlos, keine Ahnung von Sitten und Gebräuchen, kann nicht mal ordentlich fragen. Für ein paar Wochen kann das gutgehen - aber auf Dauer kann man so wohl nicht vernünftig leben. Welches Problem taucht als nächstes auf? 

Heute gibt es kein Straßen-Experiment, sondern ein Schuh-Experiment. Da mir die Stiefel zu warm sind, versuche ich es mit den Wanderstiefeln. Ich glaube, das Experiment werde ich nicht wiederholen. Die Beine und Füße fühlen sich ziemlich ungeschützt, die Sonne brennt jetzt direkt auf der Haut und die Abwärme von Lisls Zylinder bekomme ich auch direkt zu spüren.

Militärkontrollen? Gestern waren's 4, heute nur eine! Ist eben Sonntag. Und auspacken mußte ich kein einziges Mal etwas.
Aber heute hat mich ein LKW bös erwischt - sein Fahrtwind hat mir fast den Helm vom Kopf gerissen! Man sollte es nicht glauben... 


Das "Nicht-Straßen-Experiment" läßt mich gemütlich vor mich hin rollen. Bereits am späten Vormittag steht das Thermometer schon auf 37 Grad, das heißt, auch wenn alle Schotten offen sind, bringt der Fahrtwind keinerlei Abkühlung. Ich nutze alle Cafe-Möglichkeiten und ernähre mich praktisch von Coca Cola - sehr gesund. Kurz nach Mittag ist der Hitzerekord vom 10.September (42 Grad) geknackt! Das scheint selbst hier etwas ungewöhnlich zu sein; am heiligen Sonntag müssen Arbeiter die Straße vor dem Wegschmelzen bewahren, indem sie eine Sandschicht verstreuen.
Letztendlich steigt die Temperatur noch bis auf 43 Grad! Somit hält die Bahia California den Hitze- und Kälte-Rekord dieser Tour - und das innerhalb von 3 Tagen. Das muß man sich mal vorstellen, das ist ein Temperaturunterschied von über 46 Grad!!! Das ist etwa so, wie wenn man zwischen Sauna und Eiswasser wechselt, aber nicht für Sekunden oder Minuten, sondern für Stunden. So lange, bis der Körper vollständig durch-gefroren oder -gekocht ist!
Apropos gekocht: hier liegen jede Menge tote Hunde rum - aufgedunsen bis zum Platzen strecken sie ihre Beine in alle Richtungen. Und die Sonne knallt herunter und verrichtet weiter ihr Werk....

Na gut, Ihr wollt noch was Schönes hören? Ich kreuze heute von der Pazifikküste zur Golfseite und muss dabei natürlich über die Berge. Die Landschaft ändert sich daher ständig. Obwohl mir alles einfach nur heiß und wüstig vorkommt, muß ich zugeben, daß die Umgebung eigentlich sehr abwechlungsreich ist. Mitten auf dem sengenden Wüstenboden wächst auf einmal frisches grünes flaumiges Gras - so weit das Auge reicht! Und dann fahren wir über eine Kuppe. Schlagartig hat sich das Grün in einen golden wogendes Meer aus Grashalmen verwandelt.
Die unterschiedlichsten Bergformen tauchen auf und verschwinden wieder, wir passieren den Vulkan "die 3 Jungfrauen" und fahren kurvenreich durch Schluchten aus weißem Fels. Bis vor uns das Meer auftaucht - frisches Blau mit weißen Schaumkrönchen. Und es kühlt etwas!

Man hat mir gesagt, in Santa Rosalia wäre es nicht besonders schön, viel schöner wäre es in Loreto oder wenigstens Mulegé. Das sind nochmal 100 km - allerdings ist es noch nicht mal 4 Uhr nachmittags und es droht keine Schlechtwegestück. Man könnte also ... noch ein Weilchen suchen. Ups, da stand doch ein Schild "Camping Los dos amigos"? Richtige Campingplätze sind hier echt rar gesät! Also, schaun wir mal. Ein passabler Sandweg führt ca. 1 km bis zu einer Kette - geschlossen? Schade! Abe da kommt die Dame des Hauses und macht mir das Angebot: für eine Nacht? Ja ok. 100 Pesos (sie sagt, das wären 10 $, wenn man offiziell rechnet sind das knapp 6 €).
Und der Platz - das ist ja ein Traum! Ich bin versöhnt!!! Mein Zelt steht unter Palmen, deren reife Datteln mir sozusagen in's Bett fallen! Vor mir der Strand.
Die Senora bedauert, daß es in dem Häuschen hinter mir nur kalte Dusche gibt - aber etwas weiter weg steht noch eines mit heißer Dusche (Solar-erhitzt). Wow!

Ich sitze unterm Palmen-Baldachin, vor mir ein Tischchen und genieße bei einem lauen Lüftchen das Meer! So stellt man sich doch gemeinhin die Strandfreiheit vor, oder?!

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=qyocdlcenkrauegg

5 Kommentare:

  1. viele canadische rentner fahren extra nach mexico um sich die zaehne machen zu lassen,angeblich gut und wesentlich billiger.die aerzte haben meist in usa studiert.also nix wie hin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. ...ich sagte doch: "Zahnarzt meines VERTRAUENS"! Das sieht hier (falls überhaupt) nicht sehr vertrauenerweckend aus... :-)

      Löschen
  2. Hallo Susi,
    einfach nur liebe Gruesse aus Deiner alten Heimat Neckarsulm,
    weiterhin viele tolle Erlebnisse .... halt die Ohren steif
    Deine Stefani

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank nach NSU! Hast Du jetzt ein neues Postzeichen???

      Löschen
  3. Noeeeee, noch nicht :o), Du bist ja gut informiert - hihi Stefani

    AntwortenLöschen

Lieber Kommentator,
wenn Du kein Konto hast oder angeben möchtest, dann wähle bitte "anonym" oder "Name/URL" (Du mußt keine URL angeben):