Montag, 23. Dezember 2013

Bolivien


Oh Mann, wo bin ich hier gelandet?! In einem kahlen Raum, in dem die Fensterscheiben zerbrochen sind; 2 Betten - eines davon ist naß, das andere eine Kuhle. Es ist kalt. Das Licht funktioniert. Internet? Nein, natürlich nicht! Ist weggespült. Es gibt eine stinkende Gemeinschaftstoilette mit kleinem Waschbecken. Die Lisl steht unten im Laden. Der Unterschied zum Zelten? Die Wände sind stabil, das Dach dicht und der Boden trocken. Es kostet 30 Bol (ca. 3 €), aber ich habe keine andere Wahl - es scheint nichts anderes zu geben hier in Tiwanaka. Aber der Reihe nach....

Es war eine kalte Nacht; zum ersten Mal ziehe ich die langen Unterhosen an. Winterpulli sowieso. Die Knie tun weh und ich kämpfe mit Kopfschmerzen.
Die Lisl muß rückwärts die notdürftige Rampe herunterrollen und landet dann in einem Sandhaufen, der über Nacht vor der Hoteltür aufgehäuft wurde. Ich stelle sie neben dem Bordstein ab und hole mein Gepäck. In der Zwischenzeit stellt sich ein Zementlaster schräg vor die Lisl, so daß sie jetzt nach keiner Seite mehr weg kann. Vollgepackt schaffen wir es doch irgendwie, uns zwischen Stoßstange und Laternenpfosten hindurchzuzwängen. Wir wollen heute von Puno über Copacabana nach Bolivien - La Paz möchte ich möglichst vermeiden.

Bis zur bolivianischen Grenze gibt es nichts Aufregendes, relativ viele Dörfer und dementsprechender Verkehr, ab und zu mal ein Stückchen nette Landschaft. Es wird kälter und vor mir warten die Regenwolken, also kommt auch noch der Regenanzug drüber. Ich kann mich kaum mehr rühren.

Die Grenze ist gemütlich. Es ist wenig los, ein paar Einheimische huschen hin und her. Es ist kurz vor Mittag, ich erledige meinen Papierkram und werde dann durchgelassen. Wenige hundert Meter auf der bolivianischen Seite sieht es ähnlich aus. Außer, daß das Zollbüro gerade schließt - in 1 Stunde soll es weiter gehen. Na gut, Mittagspause. Das kann ich ja auch. Die Straßenküche bietet frittiertes Fleisch, Mais und Kartoffeln an. Die Sonne scheint und ich muß wieder alles ausziehen. Im Schatten ist es trotzdem noch empfindlich kühl. Für die Weiterfahrt bleibt also der Pullover angesagt. Es gibt einige Geldwechselstellen, meine restlichen peruanischen Kröten sowie 100 $ wechsle ich. Dann schaue ich mich noch ein wenig um und finde tatsächlich die "Pillen gegen Höhenkrankheit". Es sind Kräuterbonbons Marke Koka! Natürlich probiere ich gleich eins. Die Lisl scheint ihre Höhenkrankheit im Griff zu haben, sie macht mir richtig Freude!
Hinter Copacabana ist eine Polizeikontrolle - hier bekomme ich für 10 Bol (1 €) einen Einfuhrstempel für die Lisl.

Und dann ist fahren und genießen angesagt. Die Sonne hat sich durch die Wolken gekämpft, die Straße steigt auf über 4200 m und wir haben den einen oder anderen schönen Ausblick auf den Titikakasee. Und dann öffnet sich der Blick nach rechst auf den Winaymarkasee. Die beiden Seen sind über eine schmale Engstelle miteinander verbunden. Hier kursieren Fähren. Aber das ist vielleicht ein Abenteuer!!! Der Steg aus grob behauenen Planken geht ja fast noch, auf der Fähre gibt es auf Spurweite der Autos ebenfalls grobe Planken, die auf einen hölzernen Unterbau aufgelegt sind. Zwischen den Spuren ist nichts. Zwischen den vorhandenen Planken klaffen Lücken oder Stufen. Eine Fähre kann 2-3 Autos aufnehmen. Wir kommen heil auf das Boot, das schon ablegt bis wir die richtige Position haben. Absteigen ist nicht - ich muß mit den Füßen versuchen, das Gleichgewicht zu halten. Ein Junge stakt das Boot vom Ufer weg bevor der Fährmann den Außenbordmotor anwirft. 3 oder 4 Fähren legen gleichzeitig ab und stoßen ständig aneinander. Bei kleinen Wellen verwindet sich das ganze Boot - ich habe alle Mühe, die Lisl auf den Rädern zu halten. Das ist vielleicht anstrengend! Hinzu kommt, daß unter meinem rechten Fuß nur noch das Ende einer tiefliegenden Planke ist, ich muß also die Zehenspitzen ordentlich strecken und aufpassen, daß ich nicht in's Leere trete. Entladen wird rückwärts! Das geht nicht, wenn ich drauf sitze. Also ein Plätzchen für den Seitenständer suchen, absitzen, rückwärts schieben und dabei in kein Loch treten. Die beiden Autofahrer sind unruhig...geschafft! Und nicht umgefallen! Puh!

Es gibt herrliche Ausblicke auf die Seen, mit dem Foto kann man die gar nicht festhalten. Ich versuch's mit der Helmkamera; wie sich abends herausstellt wieder mal vergeblich. Seit Tagen schon nimmt sie nicht mehr richtig auf, eigentlich fast gar nichts mehr. Sie ist aber auch doof zu bedienen, wenn man den Schalter nicht sieht. Zweimal sichte ich einen Hafen mit Jachten - zumindest aus der Ferne sieht es nach "nobel" aus. Irgendwo ist auch ein Kreuzfahrtunternehmen. Die Straße ist gesäumt von Menschen, zuerst denke ich, die picknicken. Über zig Kilometer? Immer wieder eine Gruppe von Menschen. Erwachsene sehe ich selten. Jede Menge Kinder. In jedem Alter. Und sie halten die Hände oder den Hut auf! Wieso betteln die hier so schrecklich? Meine Antwort ist ein freundliches Winken, das oft erwidert wird.

Kaum fange ich an, über den Schlafplatz nachzudenken, liegt ein nobles Hotel direkt am Seeufer. Sieht echt super gut aus. Aber das will ich mir nicht leisten (ca. 30 €). Die Dame an der Rezeption ist sehr freundlich und empfiehlt mir 10 min weiter ein günstigeres Hotel. Auch das sieht gut aus, kostet nur die Hälfte, hat aber kein Internet. Ja, dann müßte ich wohl nach Rio Seco, da gäbe es eine Menge Hotels. Rio Seco ist ein Vorort von La Paz, aber eigentlich bin ich da schon mitten drin. Und ich finde kein Hotel. Es stinkt. Der Verkehr nervt. Hier mag ich nicht bleiben... Also fahre ich in Richtung der Ausgrabungsstätte, die ich mir morgen anschauen will.

Hundeattacke. Drei von den Kötern nehmen schon Fahrt auf, als sie mich sehen. Zwei weitere stehen am Straßenrand in den Startlöchern. Und jetzt erwischen sie mich wirklich, das heißt eins von den großen Viechern rennt mir in's Vorderrad. Ich kann nichts dagegen machen. Das Rad schlenkert durch die Gegend, aber meine tapfere Lisl bleibt auf den Rädern. Brave Lisl!

Wenn es kein Hotel gibt, dann zelte ich eben. Aber es hat hier anscheinend so stark geregnet, daß alles total unter Wasser steht. Hotels? Ich werde von einem Ort zum anderen geschickt, bis ich in Tiwanaku bin. Hier soll es sowohl die Ruinen als auch einige Hotels geben. Ich finde zwar einige Hinweistafeln, aber kein Hotel. Die Einheimischen zucken ratlos mit den Schultern. Alle Seitenstraßen zum Marktplatz sind nach wenigen Metern zugeschüttet mit Baumaterial. Als ich zum dritten Mal auf dem Marktplatz stehe, spricht mich ein Junge an. Gleich hier um die Ecke wäre ein Hotel. Kein Hinweis deutet darauf hin. Der Junge liefert mich dort ab und ich warte und warte und warte bis jemand kommt. Viele Mißverständnisse und zum Schluss - das Ergebnis von oben. Das ist wohl die Strafe, wenn einem nichts gut genug ist. Ich glaube, heute packe ich meinen Schlafsack aus und lege mich damit auf das Bett. Und das Internet? Meine "internationale Internetkarte" schließt Bolivien aus...

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=aqbsgjqwehkozile

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