Mittwoch, 15. Januar 2014

Schneller als der Wind...

...will ich heute sein.  Ich habe eine Theorie - wenn der Wind thermisch bedingt ist (wie in der Sahara), dann könnte es sein, daß er nachts verschwindet und am anderen Tag erst auffrischt, wenn die Sonne stark genug heizt. Die Taktik dazu heißt: Wecker auf 5 Uhr stellen, in Windeseile packen und losfahren - vor dem Wind.

Ha! Die Nacht scheint mir recht zu geben, nach Sonnenuntergang flaut der Wind ab. Um 2 Uhr morgens allerdings, stürmt es eine kurze Zeit, jedoch aus der anderen Richtung. Ist meine Theorie doch falsch? Um 5 Uhr klingelt der Wecker. Kurz rausschauen - Morgenrot im Osten. Aber es ist mir noch viel zu kalt und außerdem ist es ja noch nicht hell genug. Ich krabble nochmal für 20 min in den Schlafsack. Bis dann alles gepackt ist - Frühstück fällt heute aus - wird es doch halb sieben. Ein leichtes Lüftchen regt sich, EIN Vogel zwitschert. Die Lisl muß ich wachküssen - ach was, wachbrüllen! Sie läuft auf einem Zylinder - eine lange Warmlaufphase hilft überhaupt nicht. Der rechte Zylinder nimmt einfach kein Gas an. Auch kein heftiges Gasgeben; ab und zu blinzelt der zweite Zylinder mal, um sich dann wieder schlafen zu legen. Auf der Piste jage ich sie dann hoch, nach langer Zeit wacht sie endlich auf.

Die Piste ist nicht einfach, breit ja, aber der Kieselschotter ist tiefgründig und die Fahrspuren darin sind 20-40 cm breit. Dort ist der Untergrund fest und gut befahrbar. Also gut zielen und grade fahren! Es ist anstrengend.

Gegen 8 Uhr erwischt uns dann der Wind doch schon - viel zu früh! Der Wind drückt uns heftig aus den schmalen Spuren. Es schrecklich schwer, nicht im tiefen Kies wegzurutschen - in Schlangenlinien eiern wir gegen den Wind. Und dann fällt der rechte Zylinder wieder aus - manchmal. Lisl! Was soll das? Du Zicke! Ich muß das Gas portionieren können! Dies hier ist russisches Roulette. Gegen den Wind leicht Gas geben - auf einem Zylinder reicht nicht. Also viel Gas geben, dann macht der andere auch mit und wir schießen über das Ziel hinaus. Wie soll ich mit so einer Rosinante die Windböen besiegen???

Endlich macht die Straße eine Kurve, der Wind kommt von hinten, die Piste wird direkt gut - und Lisl rennt ohne Aussetzer! Du dummes Ding!

Der Pistenzustand ist recht unterschiedlich - tiefer Kies, festgefahrener Lehm, leichtes Waschbrett, etwas Sand, feiner Kies auf festem Untergrund, steinig. Wir haben auch viel Glück, oft kommt der Wind von hinten, da bemerken wir ihn kaum. Oder wir fahren durch Berge und sind dort windgeschützt. Gelegentlich erwischt uns der Wind auch auf einem leichten Pistenstück oder wir rutschen durch eine Flaute. Insgesamt ist die Windstärke aber geringer als gestern abend. Jetzt wird's abenteuerlich - wir müssen auf eine "Umleitung", nebenan ist die Straße im Bau. Jungs, das könnt ihr mir nicht antun! Das ist keine Piste, das ist auch keine Baustelle, das ist eine Zumutung! Da ist ja ein ausgewaschener Bergpfad besser!

Große Steine springen immer mal wieder hoch und treffen mich an den Füßen. Gute Stiefel! Da passiert mir nichts. He, Lisl, aufpassen! Nein, das ist kein Reifenfetzen, kein Karton, keine Mülltüte. Da kannst Du nicht drüberfahren - das ist ein junger Felsen! Ausweichen!!! Davon gibt's hier jede Menge! Regentropfen? Nicht der Rede wert. Aber Regentropfen! Genug, um den Staub auf der Brille festzukleben. Nach vier-einhalb Stunden sind 157 km Piste zu Ende - ein Bauarbeiter läßt mich auf die neue Asphaltstraße. Das Glück ist leider nur von kurzer Dauer - der nächste Arbeiter leitet mich wieder auf den Trampelpfad. So legen wir die letzten 30 km nach Tres Lagos im Wechsel zwischen gutem Asphalt und miserabler Piste zurück. Wir sind durch! Wie? Ein Stück Taktik, ein Stück Kampfgeist, ein Stück gute Umstände und ganz viel Glück!

In Tres Lagos gibt es eine Tankstelle und Asphalt! Denkste! Zur Ortschaft muß man auf eine 2 km lange, schlechte Piste abbiegen, die Tankstelle ist 1 km in die andere Richtung - von der Straße aus nicht sichtbar. Die Lisl bleibt kaum auf dem Seitenständer stehen, so zieht es hier. An der Zapfsäule wedelt ein Schild "kein Benzin"! Wir haben 475 km auf der Tankuhr. Was jetzt? Die nächste Tankstelle gibt es in 180 km (El Calfate)! Eine nähere? Ja, gibt es auch, in El Chalten. Da will ich sogar hin. 130 km! Normalerweise muß ich bei 550 km auf Reserve schalten, dann habe ich noch ca. 50 km im Tank. Könnte ganz knapp reichen! Kurze Mittagspause und dann auf Risiko nach Chalten!

Asphalt. Und weitere Regentropfen. Große, schmerzhafte, die vom Wind gepeitscht werden! Eine dunkle Wolke kommt uns entgegen; an der Tanke hat mir ein Holländer gesagt, sie hätten in El Chalten Regen gehabt. Typisch, daß es uns wieder mal erwischt. Und dann ist der Sprit aus - schon nach 6 km! Das reicht nirgends mehr hin außer zurück! Das mache ich dann auch, die Regenwolke lassen wir hinter uns. An der Tanke darf ich campen - ich suche mir ein Plätzchen im Windschatten des Gebäudes. Morgen soll Benzin geliefert werden, aber man (oder Frau) weiß nicht wann. Kann morgens sein, kann abends sein....gestrandet! 12 Uhr mittags.

Na gut, dann werde ich mal das Zelt aufbauen und dann nach der Lisl schauen. Strom gibt es wenigstens im Cafe der Tankstelle, aber kein Internet. Die gestern so gut reparierte Zeltstange bricht wie Glas - genau neben der reparierten Stelle! Jetzt sind wohl größere Arbeiten angesagt - aber Zeit habe ich ja. Ich baue um - die defekte Stange wird als Endstück verwendet - ich muß Gummizug, Führungshülse und Endnippel austauschen. Und dann irgendwie die Stange verlängern. Hier hilft wieder der Federdraht und viel Kaltmetall. Und das Blech einer Coladose - früher waren die mal aus Aluminiumblech, heute sind sie aus Blechpapier! Wie lange das wohl hält???

Nach einer gefühlten Ewigkeit steht das Zelt. Der Wind hat mehrfach gedreht und uns daher von allen Seiten verblasen. Er ist jetzt wieder sehr heftig geworden, es pfeift, Menschen können nicht aufrecht gegen den Wind gehen. Ein weiteres Windopfer ist meine Haarbürste, sie ist an der Strumfrisur zerbrochen.

Ok, jetzt ist die Lisl dran. Was könnte dem rechten Zylinder helfen? Kerze ist verrußt - sie wird gereinigt und die beiden Kerzen mal getauscht. Vergaser entleeren und alle Düsen reinigen. Die Schwimmerlagerung ist verrutscht. Probestarten? Läuft! Und nimmt das Gas an. Hoffentlich nachhaltig! Ah, Benzinkocher wieder zusammenschrauben - paßt. Jetzt bin ich fertig. Halb vier Uhr. Zeit zum Wäsche waschen und Blog schreiben.


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=piguvlgsrubhyepq

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