Freitag, 8. November 2013

Der Gau

Im Zimmer hat es von winzigen Ameisen gewimmelt, jetzt bin ich ganz zerbissen. Guten Mutes sattle ich die Lisl, aber die mag heut nicht. Ob sie was ahnt? Sie läßt sich bestimmt 10 min lang bitten.
Bis zur Grenze ist es nicht weit, nach ca. 1/2 h sind wir dort. Die LKWs stauen sich zweispurig bestimmt 10 km zurück! Stolz fahren wir vorbei, auch bei Gegenverkehr. Am Kopf der Schlange ist eine Ortschaft - von Grenze nichts zu erkennen. Ein Posizist schickt mich weiter - noch 2 km. Auch dort ist eine Ortschaft - voller Leben und Gewimmel. Der Verkehr geht kreuz und quer. Man muß schon genau hinschauen und mehrfach fragen, bis man die richtigen Büros findet. Es gibt zum Glück keine aufdringlichen Helfer oder Geldwechsler. Ausreise aus Costa Rica - kein Problem. Auf der panamaischen Seite sind die Büros nicht zu sehen, sie sind mit LKWs total zugestellt. Kaum daß man zu Fuß dazwischen durchkommt - so parke ich die Lisl eben dicht hinter einem Geländewagen und neben einem LKW. Die Einwanderungsbehörde schickt mich erst zum Zoll - die sehen meine Papiere seltsam an. Sie schicken mich wieder zur Einwanderungsbehörde. Ein anderer Beamter. Er will wissen, wann ich Panama wieder verlasse und mein Rückflugticket nach Deutschland sehen. Zum ersten Mal! Ich hab wenigstens eines. Und das soll nun überprüft werden - stell ich mir schwierig vor. Ist es auch. Ein zweiter Beamter telefoniert hin und her - in der Zwischenzeit erzähle ich dem Beamten, daß ich ja anschließend eine Einfuhrbestätigung für mein Motorrad brauche. Ach so, ich bin mit dem Motorrad da? Das ist was anderes - keine Flugprüfung! Die Beamten sind erleichtert. ABer zuallererst brauche ich eine Versicherung für die Lisl. Dann bekomme ich meinen Einreisestempel in den Pass und dann kann ich die Lisl einführen. Man-o-mann... Das Versicherungsbüro verkauft heute keine Versicherungen, der Drucker ist kaputt. Aber auf der anderen Seite, in Panama, da gibt es noch ein Büro. Dort bekomme ich was ich brauche für 15 $. Alles läuft jetzt wie am Schnürchen. Als ich am Zoll auf meine Papiere warte, spricht mich von hinten ein junger Mann (Blake, 27, wie ich später erfahren werde)  auf englisch an - ob der Prozess hier beginnt? Ich schildere ihm kurz den Ablauf, und weg ist er. Geld wechseln? Hier läuft Dir keiner hinterher. Du mußt sie finden - aber es gibt sie. Der Kurs ist soweit ok.

Fertig. Lisl starten. List will nicht mehr! Überhaupt nicht mehr! Und das vor tausenden von Zuschauern. Das hat mir grade noch gefehlt! Weiter vorn stehen 3 Mopeds, eines davon gehört Blake, die anderen beiden BMWs werden von Holländern gefahren. Ich schiebe die Lisl zu ihren Kameraden, aber das hilft nichts. Ich muß abpacken, Tank runter, Zündkabel wechseln. Die Kerzen anschauen, professionell den Elektrodenabstand korrigieren, in die Vergaser schauen. Von der Stirne heiß, rinnt der Schweiß...ich bin klatschnaß geschwitzt. Test? Auf den ersten Drücker! Wow! Alle bewundern meine Professionalität. Ich bin nur froh, daß die Lisl grade läuft. Bloß nicht mehr abstellen. Es war eh reines Glück, daß sie angesprungen ist. Die Holländer sind mit Sozia da, wir reden kurz, sie bekommen meine Karte und wir verabreden uns für einen Abend in Santiago (nächste größere Stadt). Dann fahre ich los.

In einer Fernfahrer-Raststätte mache ich Mittagspause. An der Suppe verbrenne ich mir ordentlich den Mund!! Kaum bin ich wieder "on the road", schon fängt es wieder an zu regnen, das heißt, das Wetter ist sich nicht sicher, ob es regnen soll oder nicht. Es ist so ein bischen Nieselregen...heute entscheide ich mich für den Regenkombi. Und wenn ich darin verkoche! Während ich in die Montur schlüpfe rauschen die Holländer vorbei.
Ein paar km weiter steht Blake mit seiner Honda auf der Standspur. Ich halte an und frage, ob ich helfen kann. Er hat ein Elektrikproblem (kenne ich das nicht?). Während er bastelt, stehe ich eingepackt daneben und wir unterhalten uns ein wenig. Wirklich helfen kann ich nicht, nur Daumen drücken. Ja, sie läuft! Während er zusammenpackt, fahre ich weiter. Die Holländer haben sich anscheinend nicht gekümmert.

Die Wolken haben sich zusammengerottet, jetzt ist rings um mich wider schwarzgrau und es gießt. Im Wetterbericht haben sie am Nachmittag Gewitter vorhergesagt - hier sind nur Gewitter, alle zusammen. Und sie hören nicht mehr auf. Es schüttet. Ich dachte, irgendwann ist es vorbei - denkste! Ein Zylinder setzt aus. Das kenne ich schon - hoffentlich kommen wir auf dem anderen Zylinder bis Santiago. Von dort aus kann ich weiter überlegen. Es kann nicht mehr weit sein und die Straße ist relativ eben. Denkste. Jetzt kommen Kurven und Berge. Und da setzt der andere Zylinder aus. Die Lisl ist tot. Sie rollt noch, also versuche ich nochmal, die anspringen zu lassen. Keine Chance! Wir sind im Urwald, keine Unterstellmöglichkeit, weit und breit keine Menschenseele und es kübelt. Ich stelle die Lisl auf der Standspur ab und stelle mich dahinter - Helm und Kombi halten mich halbwegs trocken. Ich warte. Worauf? Keine Ahnung. Vielleicht darauf, daß der Regen aufhört? Oder auf irgendeine Eingebung. In den Wolken ist nirgends auch nur eine kleine Lücke erkennbar. Also versuche ich einfach mal, ein Auto anzuhalten. Vielleicht fällt ja jemand anders etwas ein? Bereits das zweite Auto - ein kleiner Nissan Pickup - hält an. Lange Rede, kurzer Sinn, für 80, nein 90, also gut 85 $ fährt er mich bis nach Santiago. Ganz schön happig. Aber wie kommt die Lisl auf den Pickup??? Da kommt Blake angerollt - welch eine Fügung. Und der spricht doch tatsächlich perfekt spanisch! Ich habe die Adresse vom BMW-Händler in Panama-Stadt gestern abend zufällig noch aufgeschrieben. Ich werde gefragt, ob ich wüßte, wo ich hin will. Klasse - ich zeige die Adresse. Aber Panama ist noch weit! Vielleicht morgen früh? Wo die Lisl doch schon aufgeladen ist? Nein, morgen um 7 Uhr muß er in der Arbeit sein. Er fährt mich noch heute hin - gegen 8 Uhr abends schätzt er, sind wir da. Aber bis Panama kostet es 400 $. Blake kommt das teuer vor, aber was will ich machen??? Auf 350 handeln wir runter. Und dann streikt auch Blakes Moped wieder. Nur paßt es nicht auch noch auf die Fuhre. Der Fahrer will schnell weiter, seine Frau sitzt im Auto, es regnet und er hat noch einen weiten Weg. Blake, sei mir nicht böse - ich fahre weiter. Ich hoffe, Du kommst zurecht!

Die Frau wird zu Hause gegen ein Handtuch eingetauscht. Der Heilige Minarosso oder so ähnlich bekommt einen Kuß und ein Gebet - er ist der Schutzpatron der Autofahrer. Ich denke, das ist auch bitter nötig. Mein Fahrer vertraut auf seinen Patron, ich vertraue auf meinen Fahrer. Es bleibt mir sowieso nichts anderes übrig! Die Windschutzscheibe ist gerissen, die Scheibenwischer funktionieren, d.h. sie bewegen sich auf der vorgesehenen Bahn, aber wischen tun sie nicht. Der Tacho zeigt nichts an, immerhin funktionieren Drehzahlmesser und Tankuhr. Der Auspuff hat auch schon bessere Zeiten gesehen, das Auto dröhnt fürchterlich. Damit man es nicht hört, wird das Radio einfach doppelt so laut aufgedreht. Meist rauscht es jedoch nur. Der Motor hat wohl auch schon einen Wasserschaden, so lange es so schrecklich viel regnet, läuft auch er nur auf 3 Zylindern. Irgendwann ist mal eine kurze Regenpause - da läuft er doch tatsächlich auf allen Zylindern. Und dann ist es dunkel. Richtig dunkel! Falls es Sterne oder Mond geben sollte, die sind über den Wolken. Licht? Was ist das?  Die Dinger vorn am Auto scheinen eher Positionsleuchten als Scheinwerfer zu sein. Ich sehe nichts. Wir fallen in jedes Schlagloch. Ich habe Vertrauen in meinen Fahrer - und der in seinen Patron!

Ich versuche, meine Ankunft beim BMW-Händler anzukündigen, denn die Lisl muß ja über Nacht dort stehen. Und der Laden hat sicher geschlossen, bis wir ankommen. Über mein deutsches Handy rufe ich also jetzt in Panama an und versuche, jemand englischsprechendes zu bekommen. Es dauert. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nach dem 20-minütigen Gespräch auf beiden Seiten das Gleiche verstanden haben. Das dürfte mich allein schon 60 € gekostet haben. Aber wir fahren jetzt dort hin und die Lisl wird dort abgestellt. Morgen sehen wir weiter.
Das Navi hatte auch wieder einen Wassereinbruch und setzt aus. Wir haben alle ein Wassertrauma!
Eine kleine Episode: bei einem kurzen Essens-Stop bleibe ich am Auto und werde angesprochen. Als der Mann versteht, daß ich Deutsche bin, glänzt er mit seinem Wissen "tierra del Angela Merkel"!

Bis Santiago sind wir dann doch noch etwa eine Stunde gefahren! Und bis Panama sind es Luftlinie von hier nochmal 150 km, also alles in allem kommen da bestimmt 350 km zusammen! Es ist eine lange (über 5 Stunden) und schweigsame Fahrt. Von Panama sehe ich nichts - meine Scheibe ist schwarz getönt. Wir fahren über den Kanal und dann die Strandpromenade entlang. Mein Fahrer kennt sich sichtlich aus. Das ist ja eine topmoderne Großstadt!?! Lauter Wolkenkratzer, teure Hotels, Banken und Audi und andere Nobelmarken. Eine andere Welt! Nach zweimaligen Nachfragen haben wir die BMW-Niederlassung gegen 9 Uhbr abends gefunden. Mein Chauffeur beeilt sich, nach Hause zu kommen. Ein Nachwächter wird die ganze Nacht vor dem Geschäft sitzen und die Lisl bewachen. Er hilft auch beim Abladen. Dann rufe ich mir ein Taxi - er soll mich zu einem billigen Hotel bringen. Was ist "billig"? 20-30 $ - nein, so was gibt es hier nicht. Letztendlich lande ich in einem Businesshotel für 82 $! Lisl, Du bist heute sehr teuer!
Aber - heute bin ich nicht verzweifelt, ich vertraue auf die Kompetenz einer BMW-Werkstatt!

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=grdiljdqyvsntymg

1 Kommentar:

  1. Ich drücke Dir ganz fest alle Daumen, Zehen und ichweissnichtnochwas, damit Die Werkstatt Deine Lisl wieder zum Laufen bringt Gruß Claudi

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