Montag, 23. September 2013

Las Vegas


 
Schon kurz nach 6 Uhr morgens bläst mich der Wind aus dem Schlafsack. So früh ist noch Ruhe auf dem Hwy. Aber schon bald hört man es wieder blubbern und röhren. Die Lisl paßt da nicht so ganz in's Bild, aber sie hält sich tapfer. Keine Angst, ich werde sie nicht eintauschen!
In Kingmann muss ich mich entscheiden: direkt Richtung Las Vegas, nochmal Richtung Grand Canon oder noch ein Stückchen auf der 66.
  • Geplant war Richtung Canon, aber davon hat man mir schon lange abgeraten. Es gibt dort den "skywalk" eine durchsichtige Plattform, die über die Canon-Kante hinausragt. Aber es kostet viel Eintritt und sehen tut man nicht viel, da kurz unterhalb der Plattform schon wieder ein Felsvorsprung ist. Ebenfalls dort oben liegt Meadview, eine kleine Ortschaft ohne irgendwas Besonderes. Also nein.
  • Direkt nach Vegas? Dann müßte ich auf den Freeway, also die Autobahn - auch keine Lust.
  • Also weiter (nach Süden) auf der 66. Ja, das macht mich an! Irgendwie möchte ich den Geist dieser Straße noch länger genießen, weiß auch nicht warum. Diese Harleyfahrer, die haben was...spitze Cowboystiefel, fingerlose Handschuhe, muscle-shirts, die die Tatoos auf den Armen sichtbar lassen, und langes wehendes Haar. Hier ist keine Helmpflicht und so sieht man die Haarpracht der oft ergrauten Herren im Wind flattern. Ob Bart- oder Haupthaar ist dabei kaum erkennbar. Die Mädels hintendrauf lassen ebenso ihre Zöpfe wehen. Ist einer der Typen nicht mehr mit Mähne ausgestattet, dann trägt er als Sonnenschutz ein unzerbrechliches Kopftuch. ...und ich komme mir schon cool vor, weil ich Sonnen- statt Motorradbrille trage und die Jacke ein paar Zentimeter offen lasse!
Die Strecke von Kingmann nach Oatman ist total anders als bisher. Die breite Asphaltstraße ist verschwunden, in schlecht ausgebessertem Zustand geht die Strecke durch die Mohave-Wüste. Durch Überschwemmungsgebiete (Sand auf der Straße) und dann serpentinenreich über einen kleinen Paß. Schlagartig ist auch die Vegetation anders geworden -verschiedene Kakteen oder Palmen wachsen verstreut zwischen den Steinen auf Sandgrund. Ich kenn die Pflanzen nicht, aber sie sehen einzigartig aus. Zwischendrin ein Meer an gelben Blümchen, die einen interessanten, süßlich-parfümierten Duft verströmen. Kein Harley-Fahrer begegent mir...
Erst in Oatman selbst sieht man sie wieder. Dieses Dorf lebt wieder im 66er-Stil - allerdings für Touristen hergerichtet. Überall Bars, Cafes, Andenkenläden und mittendrin laufen die Mulis über die Straße. Ich fahre im Schritttempo durch, um alles zu genießen, aber zum Anhalten ist es mir zu heiß.
Kurz hinter Oatman geht's jetzt aber tatsächlich Richtung Vegas, da komme ich um 4-spurige Straßen nicht mehr herum.
Auf dem Weg hält Bullhead City noch eine Überraschung bereit. Mitten in dieser Wüstenstadt werden plötzlich Jetski und Kajaks vermietet. Ich erhasche einen Blick auf einen Sandstrand und etwas Wasser. Ein großes Hotel, das aussieht wie ein Raddampfer, liegt am Fluß - immer noch oder schon wieder der Colorado. Und dann führt eine Brücke darüber - der Fluß ist hier glasklar, türkisblau und ziemlich breit. Anscheinend haben ihn die bis dahin durchflossenen Seen und Staustufen so verändert. Man sieht, wie die Menschen ihren Spaß im Wasser haben!
Weiter auf der vierspurigen Autobahn. Bei einem kurzen Fotostop auf dem Standstreifen bemerke ich auf einmal ein seltsames Gewimmel auf der Fahrbahn. Da krabbeln doch tatsächlich Millionen von Raupen über die Straße - keine Ahnung, woher die kommen und warum die ausgerechnet hier über die Straße wollen. Sie sind ziemlich schnell und überschlagen sich sogar manchmal, aber das hilft ihnen nichts. Sie lassen alle ihr Leben - die meisten schon auf der ersten Fahrspur. Jetzt kann ich auch die dunklen Streifen auf der Straße verstehen - Raupenmatsch!
Die Zeit läuft und bis ich in Vegas ankomme ist es 4 Uhr nachmittags - blöd, wenn man um diese Zeit eigentlich in der Wildnis nach einem Campingplatz suchen sollte. Trotzdem möchte ich herausfinden, was an Las Vegas so Besonderes sein soll. Die Lisl schwitzt im Schneckentempo durch die Straßen - jetzt am Sonntag Nachmittag ist zum Glück nicht viel Verkehr und so können wir uns gemütlich alles anschauen. Wir finden ein paar wenige Straßen, die nach Casinos aussehen, aber so richtig wie ich mir das vorgestellt habe, sieht das alles nicht aus. Lediglich eine Querstraße, die Fußgängerzone ist, sieht ein wenig interessanter aus, aber da können wir nicht anhalten. Ich stelle mir die Straßen bei Nacht und Neonlicht vor, aber umwerfender werden sie dadurch auch nicht.
"Drive thru"-Hochzeitskapellen finde ich allerdings schon. Auch mit den ellenlangen Stretchlimousinen davor. Leider sitzt mein Millionär da nicht drin - dann brauch ich auch keine quick&dirty-Hochzeit.
Auf dem Weg hinaus finden sich noch ein paar noblere Etablissements im neueren Stil - aber auch das beeindruckt mich nicht wirklich. Na ja, man muß halt mal dagewesen sein. Wird abgehakt.
Übrigens, was auf diesem Kontinent bisher extrem auffällt - es liegt so gut wie kein Müll herum! Weder neben den Straßen, noch an Rastplätzen oder in Städten. Ganz selten mal sieht man eine einzelne Flasche, Dose oder Tüte herumliegen. Ok, gut, sie drohen hier ja auch Strafen bis zu 2000 $ an - aber trotzdem: alle Achtung!!!

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