Montag, 25. November 2013

Auf Abwegen in die Hauptstadt

Es war eine lange Nacht, die ich mehr auf der Toilette als im Bett verbracht habe. Um 6 Uhr erwacht der Urwald - das ist ein Getöse!!! Ich hechte hinaus, um die Tiere zu sehen, die den Krawall verursachen, aber es ist nichts zu sehen. Es scheinen alles verschiedene Vögel zu sein, die sich wunderbar im Laub verstecken.
Um die gleiche Zeit kommt auch schon die Putzfrau und macht Radau im Nebenzimmer. Ich bleibe hartnäckig in meinem Zimmer. Das Aufstehen fällt mir heute sehr schwer. Als ich mich endlich aufgerafft und den Regenkombi verstaut habe, schaue ich nach draußen - es gießt in Strömen, ringsum ist es grau, keine Besserung ist weit und breit in Sicht! Irgendwann beschließe ich, daß ich da halt durch muß. Als der schlimmste Guß nachgelassen hat, wage ich mich zur Lisl - ich hab ihr gestern noch eine Vergaser-Grundeinstellung gegönnt. Sie stand die Nacht im Freien, also mitten im Regen. Die Spannung steigt! Ja!!! Sie springt bereits auf den zweiten Drücker an! Und sie bleibt an.
Also packe ich mich und meine sieben Sachen wasserdicht ein und wir machen uns auf die Reifen. Sicht ist gleich Null. Meine Brille ist naß, die Motorradbrille ist außen naß, innen beschlagen und dazwischen total verkratzt. So zockeln wir halt immer bremsbereit durch die Gischt und lassen uns von noch mehr gischtenden LKWs überholen. Ich unternehme den Versuch, ein Foto zu machen, ich glaube das wird ein Rätselbild. Ich kann das Display des Fotos nicht erkennen. Genausowenig meinen Tacho oder mein Navi. Etwa eine Stunde lang halten wir das aus, die Lisl ist tapfer und hat keinen Aussetzer! Ist schon seltsam und sehr unwahrscheinlich, was uns da passiert ist - zwei Fehler gleichzeitig, deren Symptome sich ähnlich äußern. Mein Fazit ist: die neuen Zündkabel sorgen für Wasserfestigkeit und das korrigierte Ventilspiel verursacht das gute Anspringen. Wind- und Regengeräusche sind so laut, daß ich nicht feststellen kann, ob der Motorlauf rund ist, aber es fühlt sich ganz ordentlich an. Beim Tankstop reinige und trockne ich alle Brillen, in der Hoffnung nun etwas mehr zu sehen. Und oh Wunder - auf einmal kommt von oben gar kein Wasser mehr! Die Straße ist allerdings noch eine ganze Zeitlang naß.

Wir passieren ein paar meiner Lieblingsmautstellen auf der schmalen Mopedspur. Dann rauschen wir über eine herrliche Autobahn voran - wir wolle ja schließlich Strecke machen. Ich habe mich in Bogota angekündigt, will meine Halterung für das Navi abholen. Weil ich heut morgen getrödelt habe, bin ich jetzt ziemlich spät dran. Bis zur Salzkathetrale nördlich von Bogota sind es über 200 km und von da aus schätzungsweise nochmal 60-80 bis zur Adresse in Bogota. Ich gebe Gas und die Lisl rennt. Der Spaß währt allerdings nicht lange, bevor "Strecke" erreicht ist, kommt das Ende der Ausbaustrecke. Immerhin geht es trotzdem einigermaßen flott dahin. Bis das Navi mich in die Irre führt. Zuerst schickt es mich über eine schmale Brücke eines sehr breiten Flusses. Die LKW stehen davon kilometerlang Schlange. Dann jagt es mich durch den noch längeren Stau in der Gegenrichtung wieder zurück. Es ist so eng und dicht, daß auch auf 2 Rädern kein Weg vorbei führt. So nutze ich eine Standpause, um wenigstens kurz mal die Regenjacke auszuziehen. Ich koche schon, mein T-shirt duftet wohl nach Menschensuppe - Menschenfressern würde jetzt sicher das Wasser im Mund zusammenlaufen. Zurückgekämpft über die Brücke muß ich die irreführende Navigation verstehen - ich lande auf einer ziemlich schlechten Ausfallstrecke. Als sie zum Erdweg mutiert halte ich an, um auch die Regenhose auszuziehen - es ist sehr warm. Hinter mir ruft jemand - ein Polizist will helfen. Ich verstehe, daß auf ca. 30 km die Straße in diesem "guten" Zustand ist, nicht schlechter. Sie führt in die Berge und dort lauern die Wolken. Nur 30 km Erdweg? Und dann haben wir eine Abkürzung Richtung Bogota genommen? Jetzt zurückzufahren ist vermutlich auch nicht schneller. Also Erdweg. Holprig, löchrig, manchmal sandig oder schlammig. Aber kaum Verkehr. Mein Navi bleibt eine Zeitlang bei dieser Straße, dann kennt es plötzlich keinen Weg mehr hier. Dummes Ding! Ich verlasse mich auf den Polizist und halte tapfer durch. Die Lisl auch, nur ihr Lenkkopflager tut mir leid. Anscheinend soll hier mal eine Straße gebaut werden, die mein Navi schon kennt. In Realität sehe ich ab und zu eine Trasse, eine Schneise, die Andeutung eines Tunnels oder einer Brücke. Wir schlängeln uns darum herum. Manchmal sind wir heftigem Baustellenverkehr ausgesetzt aber im Allgemeinen gehört die Straße uns. Gegen Ende der Strecke dürfen wir uns sogar manchmal schon auf der neuen Autobahn ausruhen, das ist sehr erholsam. Zumal außer uns praktisch niemand unterwegs ist. Noch ein letztes abenteuerliches Schlechtwegestück und wir treffen wieder auf die andere Hauptstraße.

Die ist in ziemlich gutem Zustand und läßt sich gemütlich fahren. Heute ist Sonntag, die LKW-Menge hält sich in Grenzen. Und dann geht es aufwärts. In die Berge. Auf insgesamt etwa 2800 m. In herrlichen Kurven. Eine Menge Mopeds begleiten uns, bergab sind sie meist schneller als wir, ich habe kein Kurventalent. Aber steil bergauf oder beim Überholen, da können sie mit Lisls Kraft nicht mithalten! Ja, sie hat fast ihre alte Form wieder. Im Staubetrieb ist sie noch unrund, aber unter Last läuft sie wunderbar.
Jetzt muß die Entscheidung fallen, ob ich noch zur Salzkathedrale fahre. Rechnen. Die Entfernung ist bei dieser kurvenreiche Strecke kaum weniger geworden. Das wird eng. Leider muß die Kathedrale dem Zeitmanagement und Regen zum Opfer fallen. Bis Bogota brauche ich auch noch über eine Stunde und es ist schon Nachmittag. In der Dunkelheit in Bogota ein Hotel suchen? Das wird nichts! Es wird kalt und kälter, auf 18 Grad fällt das Thermometer. Ich habe fingerlose Handschuhe an - keine Zeit zum warm anziehen. Ich werd das schon aushalten. Noch 45 min. Ich bin in der Stadt - Stauverkehr. Graue Wolken über uns, ein wenig Niesel spüre ich. Lieber Gott, laß es bitte nicht regnen. Er hört auf mich - der Regen scheint vorbei zu sein, hat allerdings in den Straßen riesige Pfützen hinterlassen. Auch von den Busdächern platscht das Wasser, wenn sie über einen Huppel fahren - trocken bleibe ich also trotzdem nicht.

Die Adresse ist relativ schnell gefunden - 2 mal um den Block fahren und einmal fragen. Den Umschlag mit der Halterung und Stromversorgung für das Navi bekomme ich sofort und ohne großes Trara. Ob sie ein Hotel hier in der Nähe kennen? Nein! Vielleicht im Zentrum? Beim Pförtner die gleiche Antwort. Aber wozu hat man ein Navi? Das soll doch mal ein Hotel suchen - in 1,8 km soll sogar eines sein. Das nächste kennt die Senora, das ist aber sehr teuer. Also auf zum unbekannten Hotel. Zwischen Hinterhöfen, straßenbreiten wassergefüllten Löchern, zwielichtigen Werkstätten und Läden übersehe ich den Hoteleingang sogar 2 mal. Aber Hartnäckigkeit siegt. Trotzdem ist es erstaunlich teuer. Nebenan entdecke ich ein Hostel - hat auch nur Einzelzimmer (keinen Schlafsaal) und ist fast genauso teuer. Na ja, Großstadtpreise. Ich checke im Hotel ein, die Lisl bekommt einen Parkplatz neben der Rezeption in einer abgeschlossenen Garage. Bevor ich mein Zimmer richtig in Beschlag nehmen kann, höre ich schreckliche Schreie. Entweder wird hier grade jemand ermordet, oder ein Verrückter oder total Betrunkener tobt sich aus. Wo bin ich da hingeraten? Zimmer abschließen und in-s Schneckenhaus zurückziehen. Die Dusche dürfte ruhig auch warmes Wasser von sich geben, das was da herauskommt ist deutlich kälter als der gestrige Swimingpool. Also eine kalte gute Nacht!


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=lsylvmrodgefpvgp

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Lieber Kommentator,
wenn Du kein Konto hast oder angeben möchtest, dann wähle bitte "anonym" oder "Name/URL" (Du mußt keine URL angeben):