Mittwoch, 27. November 2013

Regen im Regenwald

Gleich am Morgen muß ich tanken, bin schon auf Reserve. Direkt angrenzend sichte ich eine Werkstatt. Es dauert eine Zeitlang, bis passendes Werkzeug für Lisls Lenkkopflager gefunden ist. Ich weiß, daß man das Lager mit viel Gefühl einstellen muß! Mein Schraubenschlüssel für die Kontermutter ist etwa 1/2 Meter lang, die Nutmutter für das Spiel muß ich mit Hammer und einem zu dicken Meißel einstellen. Wie soll da Gefühl aufkommen??? Eine Kontrolle gibt es im Stand bei eingebautem Lenker und unebenem Untergrund auch nicht wirklich. Das ist einfach nur raten... Schon wenig später am nächsten 3200 m Paß zeigt sich, daß das "Gefühl" etwas zu stramm geworden ist - die Lisl ruckelt jetzt um die Ecken. Die Reifen sind auch nicht mehr die Besten, besonders der vordere.

Der Paß ist herrlich! Er wäre noch viel herrlicher, wenn ich die Fahrt genießen könnte und mich nicht mit "carga larga"-Schwertransportern rumschlagen müßte. Die schönsten Bilder kann ich nur für Sekundenbruchteile in mir aufnehmen - fotografieren ist unmöglich, wenn Du grade mitten in einem Überholvorgang von 30 LKWs bist, die mit 25 km/h die Luft verpesten. Und dann stehen sie ganz still! Wann immer möglich, kämpfe ich mich am Stau vorbei bis ich vorn an der Baustelle ankomme .Das kann dauern. Die Tafel-Wärterin funkt gerade. Und dann ergießt sich ein Wortschwall über mich. Ich verstehe nur aus einer kleinen Handbewegung, daß ich fahren soll und ein Wort: "rapido". Also Lisl - gib Gummi!!! Yeah! Wir sind durch. Die LKW-Schlange muß warten. Vor mir herrscht freie Fahrt! Ich glaube, die Dame hat mein Gebet erhört. Ist das herrlich, ohne Verfolger im Nacken und ohne Hindernisse vor uns den Paß hinaufzujuckeln! Kurz vor dem höchsten Punkt ist Polizeikontrolle. Eine freundliche Frage woher/wohin...ich lege gleich los in radebrecherischem spanisch, daß ich nach Solento wolle. Ansonsten verstehe ich nichts. Der Herr Polizist grinst freundlich, klopft mir auf die Schulter und wünscht mir eine gute Fahrt!

Im Cocoratal hinter Solento soll es die seltenen Wachspalmen geben, die höchsten Palmen überhaupt. Eine sehr schmale asphaltierte Straße führt in engen Kurven dorthin. Als ich am Eingang zum Nationalpark ankomme, werde ich auf einen Parkplatz gewiesen. Eintritt scheint der Park nicht zu kosten. Der Parkplatz gehört zu einem Restaurant; der freundliche Einweiser gibt mir allerlei Informationen auf "spenglisch". Auf diese Weise komme ich ganz schnell an ein Pferd, was ich eigentlich wollte. Der Einweiser und der Pferdemensch freuen sich - für eine Stunde kostet es 28.000 Pesos (ca.13 €) inklusive Führer. Man bietet mir noch einen Regenponcho an, den nehme ich aber nur zur Sicherheit mit. Der Führer ist zu Fuß, ich zu Pferd. Er geht unsichtbar hinterher und lenkt heimlich das Pferd. Es tut genau, was er sagt. Mich braucht es gar nicht. Nach einem kurzen Anlauf auf einem befahrbaren Erdweg, wird es steinig und holprig. Wir kreuzen an einem Wehr den Fluß um kurz danach steil über Felsbrocken nach oben abzubiegen und etwas weiter oben erneut durch den Fluß zu reiten. Hier ist er tief und reißend, aber das Pferd tut, als ob nichts wäre. Überhaupt ist es sehr trittsicher und kraxelt über Felsen und Bäume, wo ich zu Fuß Schwierigkeiten gehabt hätte. Unsere eigenen Pferde hätten hier bestimmt keinen einzigen Fuß hingesetzt! Als wir losgeritten sind hat es gedonnert. Kaum sind wir im Wald, fängt es an zu regnen. Am Umkehrpunkt vor einem extrem steilen glatten Felsen baden wir in einem Wolkenbruch. Den Kunststoffponcho habe ich schon lange an - er hat keine Ärmel, eine ganz enge Kapuze und reicht weit über die Beine. Es regnet herein! Das Wasser läuft mir den Hals hinunter und an den Waden entlang. Armer Kameltreiber! Muß die ganze Strecke in Gummistiefeln rennen. Meine Fotos sind leider alle verwackelt - das Pferd war einfach zu schnell (oder der Regen zu heftig)! Anhalten konnte ich nicht, das Pferd hat ja nur auf den unsichtbaren Kameltreiber gehört. Und ich dummes Huhn hatte zwar meine Helmkamera dabei, aber vergessen sie zu benutzen! So werden die Bilder und Eindrücke wohl mein Geheimnis bleiben...

Als wir zurück sind, verziehe ich mich in's Restaurant um mich und die trotz Poncho nassen Klamotten zu trocknen. Aber es ist saukalt, da trocknet nichts. Der Besitzer, ein junger englisch sprechender Mann, gibt mir eine Decke zum Wärmen und bietet mir an, so lange ich will hier zu bleiben. Natürlich auch über Nacht. Ich dürfte auch hier zelten - aber bei dem Wetter??? Er könnte ja ein Zelt aufstellen, in das ich dann mein Zelt stelle - haha! Der Mann hat lustige Ideen! Seine Freundin gesellt sich zu uns und wir sprechen über Motorräder, die Panamericana und meine Reise. Er würde auch gerne diese Reise machen; mit seiner Freundin. Vielleicht kommt er ja mal nach Deutschland und besucht mich? Eigentlich möchte ich warten, bis es aufhört zu regnen, aber es fängt schon wieder an zu donnern. Momentan hat der Regen nachgelassen und so eile ich zur Lisl, um meine Regenklamotten anzuziehen. Restaurantbesitzer und seine gesammelte Mannschaft an Einweiser, Kameltreiber, Bedienung begleiten mich und staunen, was Senor Chef alles über mich und die Lisl erzählt! Adios! Nur 2 mal hupen, nicht winken, denn das Gelände ist schwierig.
Die Rückfahrt auf der mittlerweile überschwemmten und mit Laub und Ästen gespickten Straße ist wieder mal ein Blindflug mit beschlagener Brille, also etwa Schritttempo. Nach 9 km in Solento trockne ich den Beschlag mal kurz, jetzt wird auch das Wetter etwas trockener. Bald sind wir wieder auf der Autobahn - ringsum Wolken und Gewitter, aber hier ist es trocken. Nächstes Ziel ist der Kaffeepark - bin mal gespannt, was ich dort lerne. Aber der hat erst morgen früh wieder offen. Ich werde heute zumindest bis in die Nähe fahren, das paßt auch zeitlich ganz gut.

Montenegro. Erreiche ich über eine kleine betonierte Nebenstraße, die auf einem Kamm entlang führt. Zwischen Bananenplantagen liegen in paar kleine Ortschaften am Weg, eigentlich sind es nur ein paar Häuser. Aber die sind sehr adrett und haben meist einen hübschen Garten. In Montenegro holt mich wieder die städtische Realität ein - Staub, Ruß, Krawall, Chaos. Ich kann mich daran einfach nicht gewöhnen. Hotelsuche. Ich frage mal an der Tankstelle und folge der Empfehlung. Eigentlich gibt es hier nur Betten in dunklen Zellen. Ein anderes Hotel liegt nicht weit weg - ein 3-stöckiger Bunker. Gefällt mir auch nicht. Außerdem hat die Lisl keinen Platz. Ja, es gibt noch ein "besseres" Hotel und da werde ich per Fahrradführer hingelotst. Ist hübsch, sauber, inklusive Frühstück - super. Ok, hat seinen Preis. die Lisl findet gegenüber in einem abgesperrten Hof einen überdachten Platz. Das Hotel arbeiet nicht mit dem Schlepper zusammen, darauf legen sie Wert; so geht er leider leer aus. Während der Aufnahmeformalitäten wird mir eine Tasse ganz leckerer Kräutertee serviert, weil ich ja keinen Kaffee trinke (hier im Herzen des kolumbianischen Kaffeeanbaus!). Es ist nicht weit bis zum Marktplatz. Ein kurzer Spaziergang zum Geldautomaten und Supermarkt? Als ich fast dort bin fällt mir ein, daß ich ja den Foto hätte mitnehmen können! Dann lasse ich halt einfach alles mal so auf mich wirken. Die Straßenhändler im Park, die sich mit Einheimischen unterhalten, die Musik aus den Bars und Restaurants, die bunten Lichter (es wird grad dunkel) und die Auslagen. Die Jungs von der Stahlratte hätten an den Atombusen der Schaufensterpuppen hier ihre helle Freude gehabt! Im Supermarkt kaufe ich nur Getränke; ich habe nicht einmal Lust, etwas zum Naschen zu kaufen, obwohl es sogar Weihnachtsgebäck gibt! Bin ich krank?
Die große Kirche am Platz ist geöffnet und Musik dringt heraus. Ich geh einfach mal reinschauen. Es ist gerade Gottesdienst und einige Leute besuchen ihn. Ich verstehe nichts, aber ich genieße ein paar Momente der Einkehr und des Schwach-sein-dürfens.

Zurück im Hotel gibt es wirklich eine warme Dusche (nur warm nicht heiß). Man hat mir noch eine kuschelige flauschig-weiche Decke hingelegt. Erfrischt setze ich mich auf's Bett um den Blog zu schreiben. Draußen blitzt und donnert es - endlich mal wieder ein Gewitter! Es ist wohl direkt über uns, kracht fürchterlich, ab und zu fällt der Strom aus und natürlich gießt es! Ich bin ja gespannt, wann ich wieder mal guten Gewissens zelten kann...

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=wpeeqvbkujqjwccw

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