Mittwoch, 20. November 2013

Cartagena (Kolumbien)

Irgendwie sind die Tage immer so vollgestopft mit den unterschiedlichsten Erlebnissen, daß ich gar nicht mehr weiß, was der Tag so alles enthalten hat...
Also - die Nacht haben wir ja ohne Motorräder in einem Hostel verbracht; 20-25 Tausend kolumbianische Pesos pro Nase (das sind ca.8-10 €). Um sieben Uhr sollen wir zum entladen im Hafen sein. Irgendwann kommt Rusty mit dem Dingi herüber und holt uns ab. Wir sollen nur die Sachen anziehen, die wir brauchen, um zum Zoll zu fahren - also Stiefel (zu kurzer Hose und T-shirt) und Helm. Es ist siedend heiß, jetzt schon haben wir 30 Grad! Irgendwie läuft alles ziemlich chaotisch ab. Ludwig legt einen handgemalten Stadtplan von Cartagena auf den Tisch und sagt ein paar von uns, wo das Zollgebäude liegt. Dann ist schon ein Boot da, das einen Stahlponton mit sich führt - darauf werden die Mopeds jetzt gestellt - 6 Stück passen drauf, die Lisl ist als erste dran. Der Ponton ist gerade mal einen Motorradlänge breit, wir stehen dicht bei dicht und schaukeln die paar hundert Meter bis an den Steg. Dort einfach vom schwimmenden und schwankenden Ponton auf den hölzernen Steg mit krummen Brettern und hervorstehenden Nägeln gefahren, kleine Höhenunterschiede muß man ignorieren. Die Lisl ist nach 5 kilometerfreien Tagen auch nicht besser angesprungen als sonst - ich mußte sie mal wieder wachstreicheln. Natürlich hab ich keine Bilder von der spannenden Entladung gemacht - mein Ersatzfoto kann grade mal die SD-Karte nicht lesen, eine andere ist nicht zur Hand. Und die Videokamera speichert schon wieder nichts...

Zum Zoll. Jeder gibt sein Bestes, den zu finden; irgendwie schaffen es doch alle. Manfred sollte mit den Pässen dort auf uns warten. Kein Manfred da. Er hat gestern gesagt, der Zoll öffnet um 7 Uhr und wir wollten ja als erste dran kommen. Warten. Wir können nichts anderes tun. Keiner hat eine Telefonnummer von Manfred oder Ludwig, außerdem hat ja keiner eine kolumbianische Handykarte. Traver entdeckt eine Kantine, in der wir frühstücken können - wenigstens das! Warten. Gegen halb neun taucht ein Typ auf, der immerhin ein bischen englisch spricht. Er hat unsere Pässe dabei. Er kassiert von allen noch Führerschein und Fahrzeugschein und verschwindet dann wieder. Warten. Nach mindestens einer halben Stunde kommt er zurück, mit je 2 Kopien der Papiere für jeden. Was hat er nur in dieser Zeit gemacht??? Wir fragen, was jetzt zu tun ist. Antwort: warten. Und er verschwindet wieder. Als er viel später wieder auftaucht, gibt er uns unsere Originale zurück. Und jetzt? Warten. Die Senora kommt, sie vergleicht die Fahrzeuge mit den Angaben auf den Papieren. Aber nur, wenn nicht gerade irgendein Bekannter oder Freund zur Unterhaltung oder zum flirten anwesend ist. Vier Formulare müssen wir unterschreiben und dann natürlich wieder warten. Zu guter Letzt bekommen wir doch noch das Original-Einfuhrpapier. Wofür waren eigentlich die 2 Kopien???

Weiß noch jemand, wie es jetzt weitergeht? Zum Boot oder zum Hostel? Und wann zur Versicherung? Es ist schon ein Phänomen, daß jeder von uns bisher so gut alleine klar gekommen ist und alle Formalitäten und Hürden gemeistert hat; aber kaum sind wir eine Gruppe, kümmert sich keiner. Jeder verläßt sich auf die anderen. Da ich nicht mehr zum Hostel zurück will, beschließe ich einfach, jetzt am Schiff mein Gepäck zu holen und fahre schon mal los. Ups - und schon sind die anderen auch da. Also - auf's Dingi warten. Bis die Mannschaft uns gesehen hat, dauert es ein Weilchen. An Bord muß jetzt alles ganz schnell gepackt werden, d.h. eigentlich reißt jeder nur sein sorgfältig in einer Kammer verstautes Gepäck heruas und schleppt es an Bord. Beim Ausladen ist keine Hilfe zu sehen - beim Einladen konnten wir uns vor Helfern gar nicht retten. Von Ludwig wollte ich mich am Morgen noch verabschieden, da hat er aber abgewunken, weil wir ja nochmal wiederkommen. Jetzt ist er aber nicht mehr da - die Mädels grinsen nur und rollen mit den Augen. Schade.
940 $ kostet die Überfahrt - in bar. Und die Getränke. Wechselgeld ist extrem knapp und so geht es ziemlich chaotisch zu. Auf dem Küchentisch fliegen tausende von Dollar in 20-$-Scheinen herum. Mit vollständigem Gepäck passen nur 3 Leute ins Dingi. Am Steg hält Rusty mit einer Hand das Boot am Steg und jeder wirft seine schweren Taschen hinauf. Moped beladen - fertig! Und wer fährt jetzt zur Versicherung? Andre will mitfahren, überlegt es sich aber nach 5 min anders. Er will lieber erst mit dem Rest im Hostel das Gepäck unterbringen. Alles hat sich verlaufen. So kann ich mich nur kurz von dem einen oder anderen verabschieden. Na ja, wir haben auf jeden Fall einen E-Mailverteiler.

Jetzt bin ich wieder auf mich gestellt. Die Versicherung finde ich, aber ich muß ein paar mal fragen und einige Schleifen drehen. Wenn Du hier eine Abbiegung verpaßt oder falsch fährst, mußt Du ewig fahren. Nur Einbahnstraßen - und natürlich immer in die falsche Richtung. Als ich endlich das Büro gefunden habe, ist es 5 nach 12 - um 12 ist Mittagspause. Zum Glück nur bis 1. Ich habe Durst und die Lisl auch. Also werde ich die Zeit nutzen. Aber zuerst mache ich am Besten eine kleine Stadtrundfahrt - muß ich sowieso wegen der Einbahnstraßen. So komme ich halbfreiwillig in den Genuß einer Sightseeingtour. Der Verkehr ist wieder mal schlimm und ich bin ihn nicht gewohnt. Fotografieren ist kaum möglich. Man hängt entweder in einer Traube von Mopdes, die um uns herumschwirren oder im Auspuff eines Busses, der eigentlich immer steht. Bremsbereitschaft und gute Bremsen sind wichtig. Dummerweise erfahre ich das ausgerechnet, als ich über ein herumliegendes Kusntstoffteil (Kotflügel oder Stoßstange) fahre, und dieses Teil fährt nun mit mir Schlitten. Fast hätte ich gelegen! Aber ist grad nochmal gut gegangen - die Knie zittern ein wenig.

Kurz nach 1 bin ich bei der Versicherung - 30 Tage gibt's für ca. 32 Tausend Pesos (gut 12 €). Geht Ruck zuck. Und dann muß ich nach Pasacaballos - dort gibt es einen deutschen Eisenwarenhändler. Dorthin hat Fritz Ersatzteile für die Lisl geschickt. Gestern abend waren sie noch nicht dort. Ich möchte dorthinfahren und einfach warten, bis sie ankommen. Reinhold ist Chef dort. Seine Vasallen arbeiten fleißig, er sitzt im gefließten klimatisierten Büro und zählt Milliarden von Pesos. Die müssen schnell noch zur Bank. Er ist multitaskingfähig; während er einem Typen das Geld hinblättert, telefoniert er, gibt seiner Sekretärin ein paar Jobs und unterhält sich mit mir. Wenige Minuten später bin ich im Bilde: das Päckchen liegt seit 5 Tagen im DHL-Büro in  Bogota. Für die Einfhr muß Mehrwertsteuer bezahlt werden - 70 €! So viel ist ja nicht mal der Inhalt wert! Aber das ist jetzt auch schon egal - das Porto hat ja schon 200 € betragen. Ich bekomme einen Zettel mit der Bankverbindung und die Sekretärin erklärt mir, wo die Bank ist. Den Einzahlbeleg muß ich an Ivonne soundso ins DHL-Büro mailen. Das ist jetzt eine Herausforderung - besonders, weil die Bank in einer Stunde schließt! Also zurück nach Cartagena. Bank finden - klappt fast perfekt. Der nette Sicherheitbeamte hilft mir beim Nummer ziehen (Paßnummer muß man dafür in den Automaten eingeben) - dann warten. Bis ich aufgerufen werde. Die Lisl ist derweil in der Obhut von Parkplatzwächtern. Am Bankschalter komme ich klar - keine Kreditkarten - nur Bares ist Wahres. In der Mall nebenan ist ein Internetcafe, die scannen mir den Beleg ein. Mein Laptop darf ich anstöpßseln. Reinhold hat mittlerweile eine spanische Mail vorbereitet und mir geschickt - ich hänge den Scan dran - und ab an Ivonne. Jetzt kann ich nur wieder warten. Angeblich soll das Päckchen dann morgen in Pasacaballos sein - das glaube ich noch nicht so ganz.
Mein neues Navi braucht auch noch etwas Hilfe von zu Hause - ich kann es momentan nicht am Lenker befestigen und außerdem nur mit Batterie betreiben. Die soll angeblich 22 h halten, ist aber schon nach 5 Stunden leer! Ein Halter mit Stromanschluss erwartet mich hoffentlich in Bogota (noch so eine ungeliebte Großstadt).

Mittlerweile ist auch eine Mail von den Mädels von der Stahlratte gekommen - heute abend ist gemeinsames Pizzaessen angesagt, wer mag. Das ist doch schön. Ich suche mir ein Hostel, das Reinhold mir empfohlen hat, kurz die schwarzen Steifen aus dem Gesicht gewaschen und dann mit dem Taxi zur Pizzeria. Ich bin fast pünktlich - die Jungs sind etwas verwundert, aber freuen sich, mich nochmal zu sehen. Ich frage Lisa und Nicole nach ihrer Wertung der rauhen Überfahrt. Ludwig hat ja gemeint, es wäre nicht schlimm gewesen. Die Wertungen der Mädels (3 und 7 Monate schon an Bord) sind "längste und rauheste" bzw. "zweit-rauheste" Überfahrt. Warum ewischt das eigentlich immer mich???!!
Es wird noch ein gemütlicher entspannter Abend, der mit Eis essen und einem herzlichen Abschied endet. Vielleicht begegnen wir uns ja nochmal....


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=rsrhzvykgrcybhqs

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