Donnerstag, 7. November 2013

Der Tag war zuuu lang...

Bereits um halb fünf Uhr vor Sonnenaufgang werde ich mit kalten Füßen wach. Es ist frisch geworden. Aber ich bin nicht die Einzige: über mir in den Bäumen machen die Vögel schon ordentlich Krach. Von der Brüllinsel grunzt es auch schon herüber. Die Hähne krähen und der erste Schwung Mopeds knattert durch den Ort. Eine Stunde halte ich noch aus, dann stehe ich auf. Die Isomatte hat immer noch ein Loch.
Regen und Gewitter sind an uns vorübergezogen, trotzdem mag die Lisl heute morgen nicht. Sie läßt sich sehr lange bitten! Bis zu Toms Bäckerei sind es nur wenige hundert Meter, dort fängt sie an aufzudrehen und jedem Menge Öl zu verbrennen - wo das überhaupt herkommt? Es sind schon Gäste da, also stelle ich die Lisl ab und gehe rein. Die Österreicher trinken zwar einen Kaffee, aber eigentlich ist noch geschlossen. Tom ist in der Backstube fleißig. Ich schaue eine Weile zu, wir unterhalten uns kurz, ich trinke noch einen leckeren Ananassaft und dann mache ich mich auf die Socken. Ich muß wieder etwas aufholen. Eigentlich wollte ich weiter um den Arenalsee herumfahren und dann über San Jose nach Süden. Tom rät mir davon ab, denn in San Jose wäre unendlich viel Stau, eine Autobahn (wie die Karte vermuten läßt) gibt es nicht und es sind aktuell 2 Hauptverkehrsbrücken gesperrt. Wie das aussieht kann ich mir mittlerweile gut vorstellen. Also folge ich Toms Empfehlung, fahre zurück nach Canas und nehme dann die Küstenstraße nach Süden.

Die Strecke nach Canas zurück ist genauso schön, wie gestern in die andere Richtung - ist einfach eine herrliche Strecke durch die Berge - mit Seeblick! Zurück auf der Panamericana geht es noch bis ca. 10 Uhr recht entspannt zu und ich genieße den Morgen. Dann beginnt wieder das "Rußwolken-Hopping" - so lange an der Schlange vorbeihüpfen, bis wir den vordersten Stinker überholt haben. Um kurz darau hinter dem Nächsten zu hängen! Wenn Du vorne bist, bist Du hinten....Du bist niemals vorn! Ab Orotina wird es plötzlich wieder schön - die ganzen LKW biegen Richtung San Jose ab, wir halten uns rechts an der Küste entlang. An der Mautstation knöpfen sie uns satte 9 $ ab - dabei war das noch nicht mal eine 4-spurige Autobahn. Zugegeben, der Belag ist gut.
Aber jetzt dürfen wir wieder mit maximal erlaubten 80 km/h dahinrollen und die Welt um uns herum genießen. Die Küstenstraße erinnert mich ziemlich an den Hwy 101 in Nordamerika. Der Wald geht bis zur Steilküste, einen Blick auf das Meer kann man nur selten erhaschen. Nur stehen hier andere Bäume und die Temperaturen liegen 20 Grad höher. Im Vergleich zu den anderen mittelamerikanischen Transitländern wirkt Costa Rica aufgeräumt und sauber. Es gibt jede Menge gut aussehender Restaurants und Hotels entlang dieser Straße - auch englischsprachig. Sie scheinen viel für den Torismus zu tun. 3/4 des Landes besteht aus Nationalparks, überall stehen die Hinweisschilder. Ich spare mir allerdings eine Wanderung in einem dieser Parks. Es würde sich sicher lohnen, dieses Land einmal speziell zu erkunden - heute ist keine Zeit. Auch ohne Nationalpark sehe ich heute zum ersten Mal Krokodile in freier Wildbahn. Sie liegen auf einer Sandbank im schmutzig brauen Fluß unter einer der schrecklich vielen Brücken.
Zu Land und Leuten kann ich leider nicht viel Auskunft geben, ich komme mir vor, als ob ich die A9 von München nach Berlin düsen würde um dann zu behaupten, ich kenne Deutschland! Ich kann nur aufnehmen, war ich neben der Straße so alles wahrnehme. Auf jeden Fall scheint sich das Leben hier nicht so sehr auf der Straße abzuspielen. Die Menschen sehen europäisch aus, die Häuser sind adrett und gepflegt, oft haben sie ein hübsches Gärtchen. Es gibt sogar die rasenmähenden Eigenheimbesitzer!

Schon früh mache ich heute eine Mittagspause. In einem hübschen Restaurant direkt am Strand. Ich sitze in einem kühlen Raum unterm Ventilator, nette Musik, die rauschende Brandung vor mir, ein paar braungebrannte gutaussehende Surfer am Tisch neben mir, ein feines Essen auf dem Teller und einen riesigen Früchtedrink in der Hand. Geht's mir gut!!

Gut daß ich nicht wußte, daß der Nachmittag ganz anders verläuft! Gegen zwei Uhr nachmittags brauen sich schwarze Wolken über den Bergen zusammen. Ich hoffe doch nicht, daß es hier unten, direkt an der Küste regenet??? Hinter der nächsten Kurve scheint wieder die Sonne. Aber dieses Glück hält leider nicht lange vor - es ist wie Aprilwetter, ein ständiger Wechsel zwischen Regen und Sonne. Beim ersten Guß versuche ich noch, mich vor einem kleinen Laden unterzustellen. Sofort eilt von der anderen Straßenseite ein "Aufpasser" herbei, den ich aber nicht brauche. Irgendwann kapiert er das und trollt sich wieder. Jetzt zücke ich den Foto, um den Regen aufzunehmen. Der Aufpasser brüllt und tobt vor Wut - er will nicht fotografiert werden. Ha, das kann ich mir denken, Du Schlawiner! Er wirft sogar mit Steinen nach mir, zum Glück eher als Drohung, denn treffen tun sie nicht. Als es nachläßt fahren wir weiter. Bei naßer Straße ist es auch nicht schön, hinter irgendeinem anderen Fahrzeug herzufahren, die Gischt vernebelt die Sicht. Die zweite Dusche erwischt uns auf freier Strecke - ruck zuck bin ich bis auf die Haut naß. Ich habe beschlossen, keinen Regenkombi anzuziehen - ich hoffe, daß es gleich wieder aufhört und ich möchte nicht gegart werden. Also bin ich halt mit der Lisl solidarisch. Bei diesen Temperaturen trocknet ja auch alles ganz schnell wieder. Leider ist der nächste Guß schneller als die Trocknung - und viel heftiger. Aber jetzt ist auch schon alles egal. Ich wollte eigentlich nach Golfito rausfahren, da soll ein Campingplatz sein. Und das Meer. Aber die Lisl und ich haben jetzt echt ein Regentrauma - obwohl die Straße schon wieder trocken ist, fängt die Lisl an, auszusetzen. Sie läuft wieder mal nur auf 1 1/2 Zylindern - da mache ich jetzt keine Sperenzchen mehr. So bald wie möglich nach Panama und zum BMW-Händler! In der nächsten Ortschaft wird ein Hotel genommen!

Polizeikontrolle. Sie winken mich durch - ach ne, doch nicht. Wir scheinen interessant zu sein, sie wollen ein Schwätzchen halten. Auf die Frage "woher - wohin" antworte ich mit: "ich suche ein günstiges Hotel hier in der Nähe". Keine Papiere werden kontrolliert, ich bekomme einen Hinweis auf ein günstiges Hotel in Rio Claro, noch ca. 10 Fahrminuten. Es ist schon nach 16 Uhr, und mittlerweile weiß ich ja, wie schnell es jetzt dunkel wird!

Das Hotel sieht von außen fast schon vornehm aus. Aber zu "meinem" Preis (17 $) gibt es nur ein Zimmer im Hinterhof mit Ventilator und kaltem Wasser. Übrigens - die Schlösser gehen hier falschrum auf - muß man auch erst lernen. Hoteleingang und Foyer werden soeben mit Weihnachtsschmuck versehen!!! Also das paßt ja jetzt grade überhaupt nicht in mein Bild! Ist das nicht ein wenig früh? Außerdem empfinde ich hier keinerlei Weihnachtsstimmung. Und der Christbaum ist in rosa!

Als ich Lisls Wasserproblem erklärt habe, darf sie in den Geschäftsschuppen, unters Dach. Ich versuche, das nicht so gelungene Zündkabel nochmal etwas besser "Benzinkocher"-zu-löten und etwas aufzuweiten, damit es besser hält. Das Ergebnis wird sich morgen zeigen - Daumen drücken - schlaf gut, Lisl. Ich selbst hole mir im Supermarkt nebenan noch eine kleine Verpflegung.

Noch ein paar Worte zum Reisen...
Irgendwie ist tief in mir verwurzelt, daß alles anders wird, wenn man eine Grenze überschreitet. Obwohl die Vernunft es ja besser weiß, lasse ich mir an jeder Grenze erneut beweisen, daß nichts anders wird. Die Landschaft ändert sich nicht schlagartig! Die Menschen? Auch nicht unbedingt. Eher allmählich merkt man es erst, wenn die Menschen anderer Abstammung sind. Außer an der USA-Mexiko-Grenze. Da ist wirklich schlagartig alles anders geworden: die Menschen, die Sprache, die Kultur, die Gebäude, der Verkehr - ja, ich denke, sogar die Landschaft!

Und noch etwas fällt mir auf. Bei der Vorbereitung auf diese Reise habe ich von so vielen Gleichgesinnten gelesen, die die Panamericana gefahren sind, noch fahren wollen oder gerade unterwegs sind. Ich dachte, da bilden sich sicher immer mal wieder Reisegrüppchen; so wie ich das von Europa kenne, daß man sich immer wieder an bestimmten Punkten trifft. Aber jetzt sind mir seit Kanada keine Gleichgesinnten mehr über den Weg gelaufen! Das ist schon ungewohnt. Nicht daß mir etwas fehlen würde, nein; aber irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Eine kleine Wahrscheinlichkeitsrechnung hilft mir: die "vielen", von denen ich gelesen habe, sind maximal 50. Davon sind aktuell vielleicht mal 20 unterwegs. In zwei Richtungen. Die Nord-Süd-Fahrer werden immer einen Abstand zu mir haben, die Süd-Nordfahrer könnte man treffen. Aber 10 Reisende auf 20 Tkm und dann auf der gleichen Strecke??? Ok, verstanden! Na ja, demnächst werde ich auf jeden Fall einige treffen - auf der Stahlratte müssen wir gemeinsam die Karibik durchqueren.

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=ffajkymgjmcsapor

3 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Die Stahlratte ist ein großes stählernes Segelschiff.

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  2. hei susl ... hoffe es geht weiterhin alles wenigstens so einigermassen reibungslos ... aber mit dem gedanken an einen rosa weihnachtsbaum klappt das sicherlich alles weiter " fast reibungslos " grins . bussi und weiterhin alles gute und liebe hape

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