Sonntag, 22. Dezember 2013

Ein Ausflug - zum Titikakasee



Der Gewitterregen ist in einen kräftigen nächtlichen Dauerregen übergegangen. Als um 6:30 Uhr der Wecker klingelt, ist die Straße noch naß - es ist stark bewölt, regnet aber nicht mehr. Pünklich um 7 Uhr steht ein Kleinbus vor der Tür, der mich abholt. Ich haben einen touristischen Ausflug zu den schwimmenden Uros-Inseln gebucht. Ja, ich begebe mich in die Fänge von Pauschalreisen! Aber nur für diesen einen Tagesausflug. Und es ist ein "Schnäppchen" - der ganze Tag inklusive Mittagessen kostet nur 60 Sol (15 €)!
2 Kleinbusgruppen treffen sich auf einem Boot, in dem man wie in einem Bus sitzt; mit Fenstern zum Wasser hin. Die Reling ist verrostet und teilweise ziemlich locker. Wir haben einen Führer, der auf "spenglisch" alles erklärt (er spricht spanisch und englisch, aber er mischt die Sprachen so dicht, daß man fürchterlich aufpassen muss, nicht gerade den englischen Part zu überhören).

Erstes Ziel sind die schwimmenden Inseln der Uros. Mit dem Boot brauchen wir eine gute Stunde bis dahin. Ich weiß, daß die ganze Tour auf Tourismus ausgelegt ist, also ignoriere ich den Kitsch und die Verkleidungen und genieße das Ursprüngliche. Auf einer Insel mit vielleicht 20 m Durchmesser stehen 10 Häuser und es wohnen ca. 35 Leute auf der Insel. Jeweils für 1 Jahr gibt es einen Präsidenten, das ist jedes Jahr reihum ein anderes Familienoberhaupt. Sehr interessant finde ich, daß eigentlich das einzige Baumaterial Schilf (Totora-Schilf) ist. Die Halme sind wabenförmig aufgebaut, d.h. sie besitzen lauter kleine Kammern, die die Luft speichern. Genauso die Wurzeln. Daher ist das ganze Material extrem schwimmfähig und auch ziemlich stabil. Die Wurzelballen dienen als Schwimmer, darauf werden die Halme in mehreren Schichten übereinandergehäuft, bis die Schicht dick und stabil genug ist. Man läuft sehr weich darauf. Es dauert etwa ein Jahr, so eine Insel zu bauen, sie hält etwa 25 Jahre. Auch Häuser und Boote werden aus diesem Schilf gebaut. Zudem kann man den unteren weißen Halmteil schälen und essen - schmeckt nach nichts. Vielleicht als Salat angemacht? Und die Blüte soll ale Medizin gegen alles verwendet werden können (wie Koka)... Es gehört dazu, daß wir eine Fahrt im Schilfboot um die Inseln herum machen, für extra 10 Sol - davon leben diese Leute hier.
Noch zwei interessante Details: erstens, die Fische hier werden maximal 10 cm groß - zum Mittagessen soll es Forellen aus dem See geben. Zweitens: da die Inselbewohner das Seewasser trinken, sind ihre Toiletten mindesten 1 km von den Inseln entfernt (anders als bei den Kuna der Karibik) im Schilf. Die Schilfwurzeln fingieren als natüliche Kläranlage. Was mich noch interessieren würde ist, wie sich die Inseln bei Sturm verhalten - schwimmen sie auf den meterhohen Wellen oder werden sie davon überrollt? Schließlich sind sie ja verankert.

Unser zweites Ziel ist die Insel Taquile. Weitere 1 1/2 Stunden Fahrt auf dem Boot. Der See ist groß! 170 mal 70 km! Und flach - zwischen 50 cm und 280 m. Aber er liegt auf 3800 m Höhe - der höchste See der Welt! Ein toller Spruch: man müßte hier etwa 800 m tief graben, um die Zugspitze zu finden! Ich hätte mir als Kind nie träumen lassen, daß ich wirklich selbst mal an diesen See mit dem phantastischen Namen komme! Titikaka! Heißt übersetzt (ohne weitere Erklärung) Puma bunter Stein. Und jetzt bin ich hier - mitten auf dem Titikakasee! Kommt auf die Eroberungsliste!
Von der Insel weiß ich nur, daß es dort strickende Männer gibt. Was ich nicht wußte ist, daß wir die Insel erwandern müssen. Wir werden ausgeladen und müssen 1/2 h lang einen steilen Pfad hinauflaufen. Da geht die Pumpe! Und die Luft wird knapp! Zum Glück habe ich mich noch für die Wanderstiefel statt Sandalen entschieden. Oben angekommen können wir den Marktplatz besichtigen, schöne Ausblicke fotografieren und Strickwaren besichtigen oder kaufen. Dann nochmal 1 h leicht bergab bis zum "Restaurant". Natürlich begegnen uns Einheimische - und dank der Erklärungen unseres Führers, weiß ich jetzt auch, welcher Mann ledig (einfarbige Mütze), verheiratet (2-farbige gemusterte Mütze) oder besonders wichtig (ganz bunte Mütze) ist. Die Frauen und Mädchen scheinen die Wollknäuel herzustellen, sie haben eine Spindel umhängen, lassen den Faden durch die Hände laufen und tragen auf der anderen Seite das fertige Wollknäuel in einer Tasche.
Eine Kleinigkeit am Rande macht das Erlebnis besonders eindrucksvoll - das Wetter hat sich von "dicht bewölkt und saukalt" in "strahlend blauer Himmel und warmer Sonnenschein" gewandelt! Der See strahlt und glitzert in der Sonne.

Während unseres Fußmarsches und beim Mittagessen lerne ich Brigitte und Alfred kennen. Ein sehr nettes Rentnerpärchen aus Amberg (also um die Ecke). Sie reisen per Fahrrad (!) inklusive Campingausrüstung von Equador bis Chile. Anscheinend haben sie darin schon mehr Erfahrung. Aber die Beiden sehen überhaupt nicht danach aus...ganz schön tough! Heute sind sie mit Brigittes Schwester und deren Mann (Nürnberg) unterwegs. Auf der Rückfahrt, die immerhin 2 1/2 h dauert, führe ich mit dem (leider namenlosen) Schwager auf dem "Sonnendeck" ein äußerst interessantes Gespräch über Reisen, die Arbeit und das Leben. Das war eine sehr gute Unterhaltung!

Ich fürchte, ich habe mich wieder ein wenig erkältet - die Nase ist zu und der Hals kratzt. Kein Wunder, bei dem Wechselspiel des Wetters! In der letzten halben Stunde unserer Rückfahrt sammeln sich rings um uns wieder schwarze Wolken und es kommt ein heftiger Wind auf. Der sorgt immerhin für Schaumkrönchen auf den nun deutlich höheren Wellen.

Zurück in Puno besteigen wir den Bus, der uns zu unseren Hotels zurückbringen soll. Da will ich aber nicht hin. Ich sollte - wenn ich es richtig verstanden habe - vor 6 Uhr in der Werkstatt die Lisl abholen. Der Busfahrer bringt mich tatsächlich dorthin. Die Werkstatt ist verlassen und geschlossen. Direkt dahinter ist eine weitere Werkstatt, dort herrscht Betrieb. Ich frage nach. Gemeinsam raten sie, wo Mario, der Besitzer, abgeblieben ist. Dann fährt mich ein Tuktuk irgendwohin, tut geheimnisvoll und läßt mich vor einem Gebäude mit vergittetem Tor stehen. Ein feierlich gekleideter junger Mann mit Blütenblättern in den Haaren nimmt sich meiner an - ich zeige Marios Visitenkarte vor und nach wenigen Minuten ist Mario gefunden. Er tänzelt daher, hakt mich unter und schleppt mich mitten hinein in eine Hochzeit. Das Hochzeitspaar sitzt an einem Tisch an der Stirnseite einer riesigen Halle. Gegenüber spielt die Band. Entlang der Wände sitzen die Hochzeitsgäste, es gibt keine Tische. Ich werde Brüdern, Schwestern und Eltern vorgestellt, bekomme ein Hochzeitsessen (in der Styroporbox: ein großes Stück saftiges Schweinefleisch auf Kartoffeln, Gemüse und gefüllter Paprika). Und zum Nachtisch ein Gläschen Likör. Und dann werde ich in meinem Touroutfit noch auf die Tanzfläche geschleppt! Marios Bruder hängt mir seine Hochzeitseinladung (ein Amulett mit dem Foto des Brautpaars) um - das ist ein einmaliges Souvenir! Es ist ein schönes überraschendes Erlebnis, aber ich fühle mich etwas fehl am Platz.
Zum Glück befreit mich Mario bald und wir brechen zu seiner Werkstatt auf. Unterwegs treffen wir einen Freund, der uns fährt. Der Lisl geht's gut, sie steht auf Tuchfühlung mit peruanischen Mopeds. Für den Ölwechsel inklusive Öl und Batterie laden will Mario 44 Sol (das sind 11 €)! Das kommt mir schon sehr billig vor - ich runde daher auf 50 auf. Mario meint noch, ich müsse alle 1000 km - aber aller-aller-spätestens alle 1500 km das Öl wechseln. Es kann ja gar nicht sein, daß ich 5-10 Tkm ohne Ölwechsel fahre!!!

Wieso glauben hier eigentlich immer alle, daß die Lisl eine Kletterziege ist? Sie bekommt oft einen feinen Platz im Hotel angeboten, im Innenhof oder an der Rezeption. Aber davor stehen Bordsteine und Stufen - oft bis zu 40 cm hoch. Und jedesmal müssen wir erst beweisen, daß es nicht ohne Rampe geht. Es dauert dann, aber irgendeine abenteuerliche Lösung findet sich dann doch. Ein dünnes schmales Brettchen, 2 starke Männer...bis jetzt hat die Lisl immer einen Platz gefunden. So auch heute. Nach 3 vergeblichen Versuchen haben wir die Einbanhstraße blockiert, um im rechten Winkel zuerst den Bordstein und direkt danach die 2 Stufen in den Hoteleingang zu überwinden. Mit 2 starken Männern und 2 schmalen aber kräftigen Brettern. Morgen muß sie rückwärts wieder hinaus.

Kaum ist die Lisl für die Nacht eingeparkt, regnet es schon wieder. Mittlerweile habe ich mich schlau gemacht - es ist jetzt Regenzeit und eine Reise nach Bolivien wird nicht empfohlen. Außerdem ist der Salar de Uyuni in der Regenzeit nicht befahrbar und seine Salzkruste unter Wasser. Schade. Trotzdem möchte ich an meiner Route festhalten; dann muß ich halt weiterhin die Hoteltour fahren, auf Asphaltstraßen bleiben und mir das Wasser wegdenken. Wenn ich ganz ehrlich bin, ein bischen Bammel hatte ich schon vor der Salzsee-Überquerung. Jetzt habe ich eine gute Ausrede.
Ein weiteres Ziel . die "gefährlichste Straße der Welt", liegt östlich von La Paz. Um dorthinzukommen, müßte ich nach La Paz hineinfahren und das möchte ich möglichst vermeiden. Ich werde dieses Ziel also streichen, denn weitere Gründe dagegen sind: meine Familie hat es mir verboten; schlechte und gefährliche Straßen hatte ich schon eine ganze Menge; bis jetzt war jedes Ziel in meiner Vorstellung spannender als dann in Realiät - vielleicht ist die Straße gar nicht soooo abenteuerlich?

http://www.gpsies.com/map.do?fileId=gutooqbcryrrqwua

2 Kommentare:

  1. Liebe Susanne,

    ich verfolge Deine Postings mehr oder weniger regelmäßig. Ich glaube, Gabi liest auch mit :-)
    Manchmal halte ich den Atem an, wenn Du einen Cliffhanger baust... Ich kann Dir nur Respekt zollen und Danke für Deine spannende Reportage.

    Ich wünsche Dir da hinten ;-) frohe Weihnachten und dass die Lisl immer schön anspringt.

    Viele Grüße aus Berlin,
    Frank

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  2. Liebe Susanne,
    Frohe Weihnachten für Dich (und die Lisl) wünschen Petra & Thomas aus Ingolstadt! Danke für Deine spannenden Berichte und tollen Bilder. Pass weiter gut auf Dich auf und genieße Deine einmalige Tour!

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