Donnerstag, 12. Dezember 2013

Canon del Pato

Ich möchte heute morgen schon ein Stück schaffen, darum bin ich früh auf den Beinen. Es gibt noch keinen Strom, also auch kein Internet aber immerhin eine heiße Dusche. Um 8 Uhr sind wir schon unterwegs.
Pacasmayo war ok, aber die Straße Richtung Lima ist genauso häßlich und vermüllt wie gestern. Dann kommt Trujillo - ein Moloch, ein Horror! Die Straße führt mitten durch die Stadt, d.h. eigentlich führt sie hinein. Heraus geht kein Weg mehr. Ich fahre bestimmt 3/4 um die ganze Stadt, immer wenn mein Navi einen Ausweg weiß, ist er gesperrt, Einbahnstraße, Sackgasse oder einfach nicht existent. Es ist zum verrückt werden. In Panama und Kolumbien habe ich mich dem Verkehrsgebahren angepaßt, hier schaffe ich das nicht. Ampeln werden zwar respektiert, aber Vorfahrtsregeln scheint es keine zu geben. Wer an eine Kreuzung kommt, fährt einfach drüber. Wenn Du anhälst hast Du verloren! Ich kann das nicht! Auch beim Überholen werden zumindest Zweiräder einfach nicht gelten lassen. Mehrfach kommen mir zweispurig LKWs oder Busse entgegen, der Überholvorgang ist noch lange nicht beendet, wenn sie auf mich treffen. Einige Male muß ich auf die Standspur ausweichen, einmal sogar dort stehen bleiben ("Standspur" ist übertrieben, "breites Bankett" paßt besser). Hier in Peru fühle ich mich dem Verkehr nicht gewachsen, mir ist ganz unwohl!

Am Vormittag tauchen hinter mir 2 Motorräder auf - es sind Arun und Andre! Als sie später einen Pause machen, halte ich kurz an um ein paar Worte zu wechseln - sie wollen auch in Chimbote nach Osten abbiegen, wie ich. Kurz darauf überhole ich 2 langsame Abenteuerfahrer. An der nächsten Tankstelle schließen sie auf und sprechen mich an. Es sind Brüder aus Argentinien. Sie sind schon seit 3 Jahren unterwegs und verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit jonglieren und Schmuck verkaufen. Bis Mexiko sind sie gekommen, dort haben sie die zwei vergammelten 125er-Yamahas gekauft. Es geht sehr gemütlich voran damit.

Langsam wird die Landschaft etwas abwechslungsreicher. Zuerst ist mehr Sand zu sehen, dann werden daraus Dünen, dann wachsen beiderseits der Straße Berge. Der Sand wandert über die Berge und rutscht auf der Ostseite wieder herunter; das sieht fast wie Gletscher aus. Auch hier gibt es Sandschaufler. Aber hier sind es mehrere und sie kämpfen auch nicht gegen die Düne, sondern sie helfen ihr über die Straße. Schubkarren für Schubkarren wird sie hinübergetragen!

In Chimbote bekomme ich endlich Benzin. Es ist warm geworden, aber den Pullover lasse ich noch an in Erwartung der Berge, in die wir jetzt abbiegen. Die Abzweigung ist nicht ganz einfach zu finden, die Straße ist asphaltiert und in mittelprächtigem Zustand. Ein Loch übersehe ich, die Lisl muß es ausbaden - ich glaube, es war ein rechteckiges Loch mit mindestens30 cm Breite und bodenlos tief. Autsch! So geht es bis Chuquicara, ziemlich eben am Fluß entlang. Ab der Abzweigung in die schwarzen Cordilleren ist Schotter angesagt - "Canon del Pato". Es geht weiterhin ziemlich eben am Fluß entlang, wir erklimmern erstmal keine Höhen; jetzt koche ich doch im Pullover - er muß runter. Eigentlich ist es keine besonders schwierige Strecke, aber haariges Waschbrett. Arme Lisl! Wir werden sehr langsam - das Tempo liegt wieder mal bei 25-30 km/h. Die Berge rücken sehr nah zusammen, die Schlucht wird eng und abenteuerlich. Krasse Felsen! Der Fluß ist schrecklich wild, schlammig braun und extrem wasserreich. Er sprudelt und schäumt. Auf etwa 1000 m Höhe sieht es auf einmal so aus, als ob der Fluß bergauf fließt. Er hat seine Fließrichtung nicht geändert, aber ich fahre steil den Berg hinunter - der Fluß immer neben mir. Sonderbar. Oder sehe ich schon Gespenster?

Ganz wohl ist mir nicht auf dieser Strecke. Der Abgrund neben mir ist steil und tief, die Straße oft weggebrochen, sandiger Untergrund und bei Gegenverkehr wird es sehr eng. Und staubig! Ruck zuck ist mein Gesicht wieder gepudert. Wäre nicht schlecht, wenn ich jetzt Gesellschaft hätte, denke ich mir. Ich glaube, mein Abenteuerdurst ist so langsam gestillt. Oder ich bin schon reisemüde! Wenn meine Karte stimmt, zieht sich der ungeteerte Abschnitt über 50 km. Wir brauchen auch mehr als 2 Stunden dafür! Als ich mich auf halber Strecke der Richtung versichere, bekomme ich einen Hinweis auf meine "Gefährten". Später frage ich direkt danach, angeblich sind sie (Anrde & Arun) nur 10 min voraus. Es tröpfelt. Ich mag keinen Schlamm, auf der anderen Seite staubt es dann nicht so sehr. Aber ich kann es ohnehin nicht ändern. Zum Glück bleibt es bei ein paar leichten Tropfen - wir haben also keine Schlammpartie.
Immer wieder müssen wir jetzt durch Tunnels - 35 sind es, erfahre ich später. Es ist stockdunkel da drin, die Straße ist auch dort steinig und sandig. Oft bleibt der aufgwirbelte Staub einfach im Tunnel stehen, dann bin ich völlig blind. Ich hupe fleißig um auf mich aufmerksam zu machen; so wie es die Hinweisschilder fordern. Aber das hilft mir nichts - mitten im Tunnel stehen schon 2 LKWs. Der Tunnel ist so eng, daß nicht einmal ein kleinerer LKW an mir vorbeikommt. Ich lehne die Lisl so eng an die Tunnelwand wie es nur geht, der LKW tastet sich vorbei. Es ist Millimeterarbeit! Auch beim zweiten LKW wird es kaum besser. In einem anderen Tunnel kommt mir ein dicker LKW entgegen, als ich gerade erst hineingefahren bin. Er verlangt von mir, daß ich zurückfahre. Das heißt, ich muß die Lisl mit meinen kurzen Beinen ca. 10 m rückwärts schieben (ohne absteigen!), und das auf zwar ebener Strecke, aber durch Löcher und über Steine. Das dauert. Ich bin naßgeschwitzt - aber der LKW kann jetzt vorbei.

Es gibt noch ein paar spannende Beobachtungen im Canon:
Einmal sehe ich am anderen Ufer ein paar Ruinen. Ich kann nicht sagen, wie alt die sind, sieht aber aus wie eine Indianersiedlung. Dann gibt es ein paar lustige Wasserfälle - hier schießt das Wasser aus Kluften oder Höhlen direkt ins Freie und fällt dann frei hinunter. Manchmal führt eine gefährlich aussehende Hängebrücke oder ein Seilzug hinüber. Sieht spannend aus, aber ehrlich gesagt, ist mein Bedarf an Abenteuer gedeckt! Und dann steht an einer etwas breiteren Stelle ein Lastzug unter einem Felsüberhang. Darüber ist ein senkrechtes Rohr. Aus dem staubt schwarzer Staub. Am oberen Ende des Rohrs kann ich einen Arbeiter mit nacktem Oberkörper erkennen, der einen Schubkarren voller Steine hineinkippt. Der Mann ist kohlrabenschwarz!!! So was habe ich noch nie gesehen! (außer im Strubbelpeter-Buch) Oberkörper schwarz. Hals, Arme, Gesicht und sogar Haare schwarz! Alles nur vom Staub. Bevor ich meinen Foto zücken kann ist er leider schon wieder verschwunden.

Es ist schon 4 Uhr nachmittags und in den Ortschaften hier ist nicht mit Hotels zu rechnen. Ich hoffe, daß in Caraz - kurz nach Beginn des Asphalts - ein Hotel zu finden ist. Ich nehmen mir vor, heute bis dorthin zu fahren. Das sind immerhin noch 40 km. Zum Glück werden die Tage jetzt schon wieder etwas länger, um 18 Uhr ist es noch nicht ganz dunkel.

Das erste Hotel ist ausgebucht, das zweite hat für 30 Sol ein akzeptables Zimmer. WiFi ist auch da - aber kein Internet. Denn es regnet. Da geht kein Internet.
Der Besitzer ist Masseur, er hat eine Praxis im Haus. Es gibt einen hübschen offenen Innenhof, zu dem mein Zimmer ein Fenster hat. Irgendetwas riecht sehr seltsam in meinem Zimmer - stark parfümiert. Das mag ich nicht, also lüfte ich ordentlich. Es riecht wie in einem halbseidenen Etablissement - wer weiß, was das für Massagen sind. Es stellt sich aber heraus, daß dieser intensive Duft vom "Galan der Nacht" (einem Baum mit betörenden Blüten) verströmt wird. Und der steht im Innenhof!

Es war heute keine Zeit bzw. Gelegenheit für eine Mittagspause, also muß ich mir jetzt ein Abendessen suchen. Ich lande in einem netten Restaurant, in dem ich gebratenes Fleisch auf frittierten Kochbananen mit Reis und einem Zwiebelsalat bekomme. Eine interessante Kombination - schmeckt ganz gut. Die Kochbananen schmecken etwas wie Esskastanien. Dazu gibt es frisch gepressten, ungesüßten Ananassaft. Es regnet. Jetzt bin ich fertig - total müde! Es waren doch immerhin 400 km heute!
Wenn ich mir die weitere Route anschaue, die ich vorhabe, dann stehen mir noch einige unasphaltierte Bergstrecken längeren Ausmaßes bevor. Ich glabue, das mache ich dann doch nicht. Ich werde hier abbrechen und wieder an die Küste fahren - auch wenn es keinen Spaß macht und ich dann wohl oder übel durch Lima muß. Die Bergstrecke dauert zu lange und ist mir zu gefährlich. Ich bin ein Weichei...


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=wzioefllroiwwtee

2 Kommentare:

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