Mittwoch, 11. Dezember 2013

Pacasmayo

Als erstes darf ich am Morgen den Gürtel der Motorradhose zum dritten mal enger schnallen, damit ich sie nicht verliere. Dann schaue ich nach dem Wetter - der Wolkenbruch von gestern abend hat sich in einen feinen Dauerregen verwandelt; also gleich den Tauchanzug anziehen. Die ganze Nacht habe ich gehirnt, wie ich aus der Sackgasse Cutervo wieder herauskomme, ohne die ganzen 200 km zurückfahren zu müssen. Gestern abend hat sich ein netter Hotelangestellter mit mir unterhalten. Natürlich haben wir über die Route gesprochen - die Straße, die ich nehmen wollte, ist über 100 km nicht asphaltiert (bei Regen besonders ekelhaft) und es gibt wohl einen Abschnitt mit 3 Brücken - oder Nicht-Brücken - der kritisch ist. Es gäbe eine Alternativroute für dieses Stück, die aber laut meiner Karte noch eine Kategorie schlechter ist. Zur Küste raus - wäre ja noch eine Alternative? Darauf geht er gar nicht ein, die 2 Straßen in meiner Karte scheinen für ihn gar nicht existent zu sein. Als ich die Lisl sattle erkundigt sich der nette Mann telefonisch nach dem Straßenzustand und erhält die Auskunft "nicht passierbar". Eigentlich bin ich ganz froh, denn innerlich hatte ich diese Tortur schon abgeschrieben. Ich frage nochmal nach der Strße zur Küste - jetzt gibt es sie auf einmal. Und sie ist asphaltiert! Na, dann auf...doch ein Weg aus der Sackgasse.
Ich muß nun übe Chiclayo fahren, das ich umgehen wollte. Im Endeffekt brauche ich für die ganze Strecke jetzt 2 Tage länger.

Obwohl ich noch in der Tiefgarage die Motorradbrille trocken aufsetze, ist sie schon nach wenigen Minuten total beschagen - ich muß sie wieder abnehmen. So muß die normale Brille jetzt meine Augen vor dem Regen schützen, sie durchsichtig zu halten ist nicht einfach. Das fruchtbare Hochtal, durch das die schmale Straße führt, kann ich nur erahnen. Der Regen wechselt sich mit dichtem Nebel ab, auch nicht besser. Dann kommt eine Ortschaft - von Straße kann hier keine Rede mehr sein. Breite lehmige Trampelpfade, wassergefüllte Löcher und Miniberge - so sieht der Untergrund aus, den die Lisl bewältigen muß. Wir können 3 Kombinationen wählen: Schlagloch und dann Toppes, umgekehrt, oder beides gleichzeitig. Aufsetzen und Durchschlagen garantiert. Jede Menge Kreuzungen und Rikschas - keine Ahnung, wo es weiter geht. Ich steuere einfach mal gradeaus durch. Und? Kaum sind wir am Ortsende angekommen, breitet sich ein nagelneues zweispuriges Asphaltband vor uns aus. Das ist mal eine Überraschung. Auch trocken ist es mittlerweile geworden - also ist Erholung angesagt. In den letzten 2 Stunden haben wir nichtmal 50 km geschafft; so kommen wir ja nie nach Feuerland....



Jetzt geht es flotter voran, wieder durch trostlos kahle Berge. Trotzdem müssen wir gut aufpassen, denn alle Nase lang gibt es Steinschlag oder es sind absichtilich Hindernisse auf die Straße gelegt worden, um die vielen Bauarbeiten abzugrenzen. Ein herrlicher Ausblick auf weiße Wattewolkenberge tut sich auf! Wie die sich unter mir ballen und die Schluchten ausfüllen! Das sieht so phantastisch aus! So, daß ich gar nicht daran denke, daß ich da ja durchfahren muß. Das wird mit aber sehr schnell beigebracht - gleich hinter der übernächsten Kurve tauchen wir in die ersten Nebelfetzen ein. 500 Höhenmeter lang müssen wir uns jetzt durch diese Wolken tasten. Die Sicht ist unter 10 m und natürlich - wieder eine Umleitung. Runter von der schönen Straße, mitten durch ein Hühnerdorf (siehe oben). Wo die Straße zu Ende ist, wo ein Haus steht oder ein Mensch, das erkenne ich meist erst wenn ich direkt davor stehe. Ich muß mehrfach nach dem Weg fragen; langsamer kommt man wohl kaum voran. Zum Glück treffen wir am Ortsausgang wieder auf die gute Straße mit den schönen Markierungen.
Die führen uns mitten durch die "Pampas"...

Ist Euch auch schon aufgefallen, daß die Frauen hier fast immer einen "Rucksack" tragen? Sie haben ein einfaches Tuch um den Hals gebunden und darin wird alles transportiert was nötig ist. Meist ist es ein Kind. Oft aber auch Obst, Gemüse, Getreide oder auch Hühner. Aber eigentlich wollte ich was zu den Hüten sagen: diese Sombreros hatte ich eigentlich in Mexiko erwartet. Hier oben in Peru scheinen sie aber heimisch zu sein. Und da verstehe ich auch ihren Sinn. Die riesige breite Krempe schützt den ganzen Menschen vor Regen - wie ein großer Regenschirm. Die hochgebogene Krempe fängt den Regen aber auf, er tropft nicht wie beim Schirm herunter. Wenn die Regenrinne dann voll ist, wird sie halt mal ausgeleert.

Heute gab's kein Frühstück, so bekomme ich jetzt so langsam Hunger. Wie schon gestern erfahren, gibt es hier so gut wie nichts. Daher bin ich sehr erfreut, als ich kurz nach Mittag etwas Restaurantähnliches finde. Ich bestelle einfach, was mir die Senora empfiehlt und lasse mich überraschen. Fruchtsaft hat sie nicht, nur Chicha. Ich probiere - schmeckt gut, etwa wie frischer Most. Alkohol? Nein! Beteuert sie. Als ich schon 2 Gläser intus habe, glaube ich, sie hat geschwindelt - oder wir haben uns nicht verstanden. Dazu knabbere ich als Vorspeise leicht geröstete und gesalzene Maiskörner - sie schmecken wie eine Mischung aus Erdnüssen und Popcorn.

Gestärkt und leicht alkoholisiert besteige ich die Lisl. Es ist gut warm geworden, wir sind wieder auf Meereshöhe. Die Lisl macht keinen Rucker! Was ist das denn schon wieder??? Kein Wasser weit und breit! Nein, sie will nicht. Benzinhahn zu, Benzinhahn auf Reserve, Choke auf (!), Standgas runterdrehen - sie will nicht. Da mir nun wirklich nichts anderes mehr einfällt orgle ich einfach - wenn sie schon nicht anspringt, dann kann ja auch die Batterie leer sein... Irgendwann überlegt sie es sich doch und hustet mich an. Jetzt muß ich aufpassen, daß sie nicht mehr ausgeht. Sie läuft wieder extrem unrund!

Wir fahren nach Westen, um dann in Chiclayo nach Süden abzubiegen. Vom Pazifik her weht ein starker Wind - er bringt jede Menge Staub mit sich. Von vorne bläst er mir den Staub in die Augen, als er von der Seite kommt, rüttelt er ordentlich an den Nackenmuskeln! Vom Meer ist weit und breit nichts zu sehen. Zwischen den Bergen und dem Pazifik erstreckt sich ein breites Wüstenband - schrecklich triste Wüste! Nur Sand. Und Müll! Schrecklich viel Müll!! In ganz Europa kenne ich keine solche Müllhalde mehr!
Ach, die Dieselschlange wohnt auch hier?! Ich dachte, die wäre in Peru ausgestorben. Nein, sie lebt anscheinend nur in den Niederungen und im Dreck. Sie bildet hier eine Wohn- bzw. Fahrgemeinschaft mit den fleißigen dreirädrigen Rikscha-Bienen, die sie umschärmen. Diese Rikscha-Bienen sind ganz schön gefährlich. Sie schwanken unmotiviert über die ganze Fahrbahn, Richtungsänderungen finden urplötzlich und ohne Vorwarnung statt. In ganz seltenen Fällen kann man bei genauem Hinsehen mal die Hand des Fahrers oder irgendeines Fahrgasts erkennen, die nach rechts oder links winkt.


Sand - in der Wüste, in den Augen. Ja, es gibt sogar ein paar Dünchen. Die strecken frech ihre Füße auf die Straße und bekommen gleich eins drauf. Oder sie werden zurückgeschaufelt - von Hand - vom Dünenschaufler. Der ist garantiert fest angestellt, ein Fulltimejob, nur um diese eine Düne von der Straße fern zu halten. Tagaus tagein schaufelt er, legt sich mit den Füßen dieser Düne an. Mißt seine Kräfte mit ihr. Wenn er den Kampf verliert ist er arbeitslos.

Hier gefällt's mir gar nicht! Vor lauter Streß fotografiere ich auch nicht. Ich will wieder in die Berge...die Lisl auch?

Auf dieser Müllhalde kann man nicht mal zelten (wieder eine gute Ausrede). Hinter mir droht ein schwarzes Gewitter. In Pacasmayo finde ich ein edles kahles Hotel für 90 Sol im Zentrum an der Tankstelle (die akzeptieren sogar Amex!). Auf der weiteren Suche finde ich ein nett eingerichtetes Hostel nur 100 vom Strand und 5 min zur Innenstadt, mit Internet und Innenhof für die Lisl für 25 Sol (6 €)! Das Zimmer hat ein Fenster mit Blick über die Stadt und zum Blog schreiben kann ich vor dem Zimmer in einem überdachten Gang sitzen. Kann man es besser treffen? Und zu allem Überfluß gibt es zum Abendessen feinen Kuchen aus der Bäckerei.


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=rctrvpjnaptqmbzr



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Lieber Kommentator,
wenn Du kein Konto hast oder angeben möchtest, dann wähle bitte "anonym" oder "Name/URL" (Du mußt keine URL angeben):