Samstag, 14. Dezember 2013

Ein Morgenteuer

Schließlich wollte ich ja keine Abenteuer mehr!
Mein schöner Plan zur Umgehung Limas löst scih schon sehr bald auf - ich habe verschlafen. Die ersten zwei Stunden sind schon weg. Gestern habe ich noch von einer Ausgrabungsstätte hier in der Gegend gehört - den ältesten Pyramiden in ganz Amerika! Das klingt spannend und liegt fast am Weg. Ein Abstecher von 30 km - ich glaube, das lohnt sich. Die Abzweigung verpasse ich fast - es ist nichts angeschrieben. Dann geht es auf einer hundsmiserablen, ehemals asphaltierten Straße dahin. Bestimmt hat die Lisl jetzt wieder SChrauben locker. Irgendwann taucht tatsächlich ein Hinweisschild "zu den Ruinen von Caral 9 km" auf. Nach 10 km ds nächste Schild - noch 4 km. Und so weiter. Wieder ein paar Häuser - ich frage nach; hier muß ich abbiegen. Nach ca. 1 km breitem Schotterweg finde ich so etwas wie einen Parkplatz vor. Alles sieht sehr verlassen aus. Eine Brücke führt über einen breiten Fluß, hier wacht ein Polizist. Ab hier geht's zu Fuß weiter! Ich sehe etliche Mopeds die Brücke kreuzen; als ich meinen Rucksack sattle hat der Polizist ein Einsehen und bedeutet mir, dem letzten Moped nachzufahren. Mach ich gerne. Die Brücke ist schmal und steil, dahinter geht's in einer scharfen Kehre zurück zum Flußufer. Der SChotterweg ist schmaler aber gut. Und dann hört er auf. Eine Frau sagt, ich müße weiter am Flußufer entlang, der abzweigende gute Weg führt nur in die Äcker. Ein schmaler Trampelpfad ist am Ufer erkennbar. Hier stelle ich die Lisl ab - da johlt und pfeift es vom anderen Ufer rüber "weiter, weiter!" Eine Frau ermutigt mich, ja, das hat schon seine Richtigkeit. Und mit dem Motorrad geht das ganz gut! Na, wenn die meinen. Mit der schweren Fuhre einen ausgefahrenen Trampelpfad in Flußkieseln entlang zu fahren - Susi, Susi, was hast Du Dir dabei wieder gedacht!!!
Weiter und weiter geht es. Der Pfad wird wieder etwas breite, dafür sandig. Dann biegt er ab, führt an einem Hof vorbei und dann ist ein "amtliches" Haus zu sehen. Bin ich endlich da? Es wird gerufen und gewunken - ich fahre hin. Nein, falsch, ich muß in die andere Richtung weiterfahren - nur noch 5 Minuten! Ein Polizist führt mich an. Zum Glück, denn an der sandigsten Stelle des Feldweges kommt ein breiter Traktor entgegen. Er weicht keinen Millimeter aus, er erwartet, daß wir die Böschung hinauf fahren. Mit seiner 125er packt der Polizist das mit Müh und Not, die Lisl schafft es nicht. Also versuche ich, mich am stehenden Traktor vorbeizuquetschen; sieht gut aus, bis ein Stein im Weg liegt und wir gegen die Böschung kippen. Nichts geht mehr. Ich bedeute dem Traktor, weiterzufahren, jetzt hat er ja Platz! Als er weg ist, hilft mir der Polizist, die Lisl aufzurichten und wünscht mir dann noch eine gute Fahrt - er kehrt um. Nun ist es weirlich nicht mehr weit. Mitten im Nichts stehen Bambushütten, sanitäre Anlagen, Andenkenbuden, ein Restaurant und eine Eintrittskasse. Für 11 Sol möchte ich eingelassen werden. Schön und gut, aber es werden nur Gruppen eingelassen. Mit Führer. Hä? Weit und breit ist außer mir niemand da! Dann kann ich nicht hinein! Mann, ärgert mich das! Der ganze Weg, die ganzen Mühen umsonst! Das hätte aber auch früher mal jemand sagen können! Wenigstens bis zum Eingangshügel marschiere ich und schieße aus der Ferne ein Foto. Ich war an den ältesten Pyramiden(resten) von Amerika!
4 km und 20 verschwitzte Minuten später bin ich wieder an der Brücke. Zeitweise habe ich Begleitschutz bekommen, ein Motorradtaxi hat ein wenig auf mich aufgepaßt. Nocheinmal 25 km und 40 Minuten, und ich bin mittags wieder auf der Panamericana. Der Kampf um Lima kann jetzt beginnen!

Es ist bedeckt. In Erwartung einer breiten Autobahn mit schneller Fahrt ziehe ich Pullover und Motorradbrille an. Um mit dem Verkehr mitzuhalten muß ich schon mindestens 70 fahren, aber in meinem Magen sitzt ein kleiner Teufel, der hin- und herspringt. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, es ist eine Kamikazefahrt. Zumindest die erste Sunde bleibt die Straße zweispurig, also mit Gegenverkehr. Als Zweiradfahrer gilst Du hier nicht als Verkehrsteilnehmer - also darf jeder überholen, wenn Du entgegegn kommst. Viecher aller Art, Mototaxis (so heißen die Tuktuks hier) und Fußgänger treiben sich auf der Straße herum. Unvorhergesehen tauchen kaum erkennbare Ampeln oder gefährliche Kreisel auf. Auf freier Bahn, mitten durch die Sandwüste, rücken uns von hinten Busse auf die Pelle, während vor uns die langsamen Laster mit 30 auf der Fahrbahn herumstehen. Wie riskant die ganze Angelegenheit ist, wird uns nochmal verdeutlicht an einer Unfallstelle, die gerade mit dem Radlader freigeräumt wird. Von einem Kleinlaster ist nur noch sehr wenig übrig, das Führerhaus ist praktisch weg. Keine Ahnung, gegen welches Hindernis der gefahren ist.
Es paßt grad ganz gut als Mittagspause, als ich ein Restaurant erspähe. Die sind eingerichtet auf Transitverkehr. Für 6 Sol gibt es das Tagesmenü: Suppe mit allem drin und Reis mit Huhn und allem drauf. Schon von der Suppe bin ich satt. Dazu ein Glas Zitronentee.

Eine Zeitlang gibt es jetzt doch etwas Entspannung, so lange wir noch weit genug von Lima weg sind, können wir die vereinzelten Fahrzeuge auf der breiten "echten" Autobahn ganz gut überholen. Richtig schöne Sandwüste und teilweise hohe Berge umgeben uns; ab und zu erhaschen wir einen Blick auf den wilden Pazifik.
Und dann beginnt der Kampf. Über zig Kilometer ist immer wieder "Lima" angeschrieben, aber es kommt nicht näher. Wir stehen. Wir erkämpfen uns jeden Zentimeter und müssen uns behaupten. Gegen Busse und riesige LKW. Nur nicht unter die Räüder kommen! Selbst Autos und LKW zwängen sich in die kleinste Lücke, alles ist so dicht, da paßt keine Hand dazwischen. Ist nichts mit vormogeln. Bin ich froh, daß ich nicht in die Altstadt rein will und ein Hotel suchen muß. Halbrechts vor mir ist ein historisches Gebäude mit Kuppel zu sehen; das muß die Altstadt sein. Kurz danach fängt der Verkehr tatsächlich wieder an, sich fortzubewegen. Geschafft! Trotzdem ist noch Vorsicht geboten - als es ruhiger wird und sich vor mir graue Wolken auftürmen beschließe ich: Schluß für heut!

Punkt 5 uhr habe ich ein Hotel. In San Bartolo. Am Ortseingang ist eine bewachte Schranke, da frage ich einfach mal nach. Einer kann gut deutsch und freut sich, damit glänzen zu können. Er pfeift einen Motorradpolizisten heran, der mich sicher zu einem "preiswerten Hotel für eine Nacht" geleitet. Das Zimmer hat leider nur ein Fenster zum Lichtschacht - ich darf wechseln, sobald ein anderes Zimmer gereinigt ist. Dann habe ich einen Blick auf den Ort und direkt auf einen Schulhof, wo gerade eine Weihnachtsfeier mit Theater und Tanz stattfindet. Die Lisl ruht heute im Tanzsaal der Bar - es ist sehr glatt dort und ich hoffe, daß sie heute Nacht nicht anfängt zu tanzen.

Ich bin dazu übergegangen, meine Wäsche nicht zu sammeln, sondern täglich mindestens die Socken und Unterhose zu waschen. Meist sind sie bis zum anderen Tag trocken. Heute versuche ich mal eine besonders effiziente Methode: Socken als Handschuhe anziehen, dann mit Seife die Hände waschen. Wenn der erste Dreck raus ist, damit das rabenschwarze Gesicht einseifen und abreiben - Gesicht sauber, Handtuch geschont, (jetzt schwarze) Socken nochmal einseifen - fertig!


http://www.gpsies.com/map.do?fileId=rznmblqjuxcrngmu

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